Ring frei für die größte Forschungsmaschine der Welt: Der Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) soll Physikern den Urknall näher bringen als jemals zuvor. Mit unerreichter Wucht werden dazu in dem 27 Kilometer langen Ringtunnel bei Genf Atomkerne aufeinander geschossen. 600 Millionen Mal pro Sekunde wird dieser Mini-Urknall künftig stattfinden.
Experiment startet am Mittwoch
Am 10. September sollen die ersten Atomkerne testweise in der ringförmigen Teilchenschleuder kreisen. Offiziell wird der drei Milliarden Euro teure Beschleuniger des europäischen Teilchenforschungszentrums CERN am 21. Oktober in Betrieb genommen. Der LHC ist ein Experiment der Superlative: Er ist laut CERN die größte Maschine, die Menschen je gebaut haben. In dem Beschleuniger ist es mit minus 271,3 Grad Celsius etwas kälter als im Weltall (minus 270,4 Grad). Gleichzeitig wird es bei den Atomkernkollisionen - auf winzigem Raum - 100.000 Mal heißer als im Zentrum der Sonne.
Auf der Suche nach der Materie
Ein Magnetfeld, 100.000 Mal stärker als das irdische, zwingt die Teilchen auf die Kreisbahn. Der Strombedarf ist mit 120 Megawatt so groß wie derjenige der 160.000-Einwohner-Stadt Genf. Die Wasserstoff- Atomkerne (Protonen) erreichen 99,9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, jede Sekunde drehen sie 11.245 Runden im unterirdischen Ring und legen 299.780 Kilometer zurück. Gewichtig wie die Maschine sind auch die Fragen, die sie beantworten soll: Die mehreren tausend Physiker, die mit dem LHC arbeiten werden, erwarten fundamentale Erkenntnisse zur Dunklen Materie, zum ungelösten Rätsel, wie Materie zu ihrer Masse kommt, und zur Entwicklung des Universums.
"Warum sind wir da?"
So ist etwa immer noch rätselhaft, warum im Urknall nicht gleichviel Materie und Antimaterie entstanden sind, die sich gegenseitig wieder vollständig ausgelöscht hätten, ohne Material für Sterne, Planeten und schließlich auch Menschen übrig zu lassen. "Die Frage ist also letztlich: Warum sind wir überhaupt da? Das ist völlig mysteriös", wie es der Münchner Physikprofessor Siegfried Bethke ausdrückt. "Eigentlich dürfte es uns gar nicht geben. Das ist doch Grund genug, mal nachzuforschen."
Wissenschaftler warnen
Gegner des Hadronen-Speicherrings um den Tübinger Biochemiker Otto Rössler befürchten angesichts der gigantischen Ausmaße des Projekts unkontrollierbare Reaktionen bis hin zu einem Weltuntergang. Sie versuchten, den LHC-Start in letzter Minute durch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu stoppen. Die Straßburger Richter verwarfen die Beschwerde jedoch.
Rössler sieht die Gefahr, dass winzige Schwarze Löcher, die bei den Versuchen entstehen können, die Erde in naher Zukunft zerfressen. Die Forscher des Cern weisen dies zurück. Auch wenn im LHC ab Mittwoch Schwarze Löcher erzeugt werden könnten, würden diese "mikroskopisch" klein sein und sich praktisch sofort wieder auflösen, schreiben Cern-Physiker in einer aktuellen Studie im Fachblatt des Londoner Instituts für Physik. Die Energie reiche demnach nicht aus, um die Schwarzen Löcher wie im All zu hungrigen Monstern werden zu lassen, die alles um sich herum verschlingen. Auch die Befürchtung, so genannte "Seltsame Materie" könne die Erde zu einem undefinierbaren Klumpen machen, sei unbegründet.
Katastrophendiskussion ist "völlig absurd"
"Die ganze Diskussion ist völlig albern und absurd", urteilt Gross. Wären die Befürchtungen berechtigt, hätte die Katastrophe längst stattfinden müssen, argumentiert der Physiker: "Die Erde und der Mond sind aber noch da, obwohl es Kollisionen kosmischer Teilchen gibt, die noch viel energiereicher sind." Das betont auch der zum Jahresende scheidende CERN-Generaldirektor Robert Aymar: "Der LHC ist der stärkste Teilchenbeschleuniger auf der Erde, aber das Universum hat noch viel stärkere. Der LHC wird uns ermöglichen, unter Laborbedingungen zu untersuchen, was die Natur längst macht."
Ziel: Warum besitzen Teilchen eine Masse?
Es soll erklären, warum Teilchen überhaupt eine Masse besitzen. Das Universum ist nach der Theorie des britischen Physikers Peter Higgs von einer Art Sirup durchzogen, der Teilchen je nach ihren Eigenschaften unterschiedlich stark bremst und ihnen so ihre Masse verleiht. Ohne diesen Mechanismus ist das sogenannte Standardmodell vom Aufbau der Materie nicht komplett. "Die Messungen an bisherigen Beschleunigern zusammen mit der Theorie sagen ganz klar, dass dieses Higgs-Teilchen im Energiebereich des LHC liegen muss", betont der designierte CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer vom Hamburger Teilchenforschungszentrum DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron).
Ein Fenster zum Universum öffnen
"Das Higgs-Teilchen wird aber sehr wahrscheinlich nicht die erste Entdeckung am LHC sein", meint der US-Physiknobelpreisträger von 2004, David Gross. Nach Schätzungen der beteiligten Teams könne dies leicht fünf Jahre dauern. "Vorher wird es wahrscheinlich andere aufregende Entdeckungen geben, mit denen niemand gerechnet hat." So könnte der LHC möglicherweise erstmals Teilchen der rätselhaften Dunklen Materie erzeugen. Dieser unsichtbare Stoff stellt zwar rund 80 Prozent der Masse im Kosmos, verrät sich aber nur über seine Schwerkraft. Aus welchen Teilchen er besteht, ist unbekannt. "Der LHC wird ein Fenster in dieses Dunkle Universum öffnen", hofft der künftige CERN-Chef Heuer.
(AFP, dpa, N24)
.....hnmmm wie steht ihr zu dem experiment ???
also ich sehe dem ganzen etwas kritisch entgegen ?
keiner weiss genau was passieren wird und das ist letztendlich unser risiko