Gulli News: Kein Datenschutz bei Hartz IV-Empfängern?

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    Die größte Sparkasse (Köln-Bonn) gab offensichtlich in mehreren Fällen quasi als Erfüllungsgehilfe Auskünfte über ALG II-Bezieher an die ARGE heraus. Beide Parteien hoben den Datenschutz mit Hinweis auf Paragraf 60 Sozialgesetzbuch Zwei einfach auf. Zwar gilt der nur, wenn auf keinem anderen Weg Informationen beschafft werden können und die betreffende Person dem Vorhaben zugestimmt hat, bzw. dieser über die Rechtsfolgen aufgeklärt wurde. Allerdings ist keines der Dinge im vorliegenden Fall passiert und wäre auch nicht nötig gewesen. Die Frau hätte wie sonst auch bereitwillig Auskunft erteilt, hätte man sie anstatt ihrer Bank befragt. Die Pressesprecherin der entsprechenden Sparkasse empfand das Vorgehen ihres Arbeitgebers völlig in Ordnung. Sie war sogar der Meinung, eigentlich müsste man dem Kunden nicht mal eine Mitteilung über die Offenlegung des Kontos zustellen.
    Frau F. aus Köln war sichtlich schockiert, als sie ein Schreiben der Sparkasse Köln öffnet. Der Hartz IV-Bezieherin wurde im Nachhinein von ihrem Kreditinstitut darüber aufgeklärt, dass die Kölner Hartz IV-Behörde (ARGE Köln) die Bank um die Offenlegung ihres Kontos für einen Zeitraum im Jahr 2007 gebeten hat. Wegen entsprechender Auskünfte solle sie sich noch nicht mal an die Sparkasse wenden, sondern direkt an die zuständige ARGE. Als Begründung für die Aufhebung des Datenschutzes wurde der § 60 Sozialgesetzbuch Zwei benutzt. Dieser Paragraf über die Auskunftspflicht und Mitwirkungspflicht Dritter besagt, dass Banken, Versicherungen etc. zur Auskunftserteilung verpflichtet werden können, wenn sich ein Sachverhalt auf anderen Weg nicht aufklären lässt. Allerdings sind an diesen Paragrafen hohe Auflagen an die Parteien gestellt. Gelten diese für die Kölner ARGE wie auch für die Sparkasse Köln-Bonn nicht? Daneben muss sichergestellt sein, dass sich nur auf diesem Weg Informationen beschaffen lassen und ein Sozialleistungsbezieher muss dem zugestimmt haben bzw. bei ausdrücklicher Nichtzustimmung muss der Leistungsempfänger auf die dann einsetzenden Rechtsfolgen hingewiesen werden. Beides traf beim vorliegenden Fall nicht zu. Dass Auskünfte benötigt würden, wurde der Frau gegenüber niemals erwähnt. Sie kann nicht verstehen, dass sie völlig übergangen wird, zumal sie sich in der Vergangenheit stets kooperativ verhielt.


    "Ich hätte zwar nichts zu verbergen, mir geht es aber grundsätzlich darum, dass mein Sozialgeheimnis von der ARGE missbraucht wird und die Sparkasse Köln-Bonn sich ungeprüft zum Erfüllungsgehilfen dieses Rechtsmissbrauchs macht. Ich habe alles was die ARGE haben wollte abgegeben, sogar die Kontoauszüge im letzten Jahr in Kopie vorgelegt. Auch das hätte ich gar nicht machen brauchen, da die ARGE gar keine Kopien davon besitzen darf", so Frau F gegenüber dem Erwerbslosen Forum Deutschland, denen inzwischen Informationen vorliegen, wonach insbesondere Sparkassen bundesweit derartige Auskünfte ungeprüft weitergegeben haben.

    "Dass Hartz IV-Behörden Persönlichkeitsrechte krass missachten, ist ja inzwischen hinlänglich bekannt. Es erschreckt und jedoch sehr, dass inzwischen große Geldinstitute ihre Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden mit Hartz IV-Leistungen missachten. Bundesweit hören wir immer öfter, dass gerade Sparkassen ungeprüft bereitwillig derartige Auskünfte geben. In anderen Fällen, - z. B. einer Pfändung werden den Kunden durch die Banken Fristen gesetzt, bevor derartige Ersuchen umgesetzt werden. Somit bleibt dann immer noch Zeit, dass Kunden Rechtsmittel einlegen können. Offensichtlich sollen aber Hartz IV-Empfänger diese Möglichkeit nicht haben und ein besonderer Schutz wird auch nicht für notwendig erachtet", so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. Die haben bei der Bank nachgefragt und die Pressesprecherin der Sparkasse (Ulrike Kohl) Köln-Bonn fand diese Praxis für in Ordnung und sagte, dass sie eigentlich noch nicht mal dem Kunden eine Mitteilung über die Offenlegung der Konten geben müssten. Sie empfahl jedoch eine bundesweite Pressemeldung, da dieses Problem ja auch andere Sparkassen betreffen würde und der Bundesverband für eine eindeutige Regelung sorgen müsste.
    Aus gegebenen Anlass macht das Forum noch mal deutlich, dass der entsprechende Paragraf 60 des Sozialgesetzbuch Zwei, der die Auskunftsverpflichtung Dritter regelt, keineswegs eine Blankovollmacht zur Datenbeschaffung ist. Nur um die Abläufe der Behörden zu erleichtern, dürfe man dieses Gesetz nicht in Anspruch nehmen. Es gilt noch immer das informationelle Selbstbestimmungsrecht eines jeden Bürgers. Grundsätzlich muss der Betroffene der Auskunftseinholung bei Dritten zustimmen oder wenn er diese Zustimmung verweigert auf die dann eintretenden Rechtsfolgen hingewiesen werden. Das Gesetz sagt mitnichten aus, dass die betroffenen Personen froh darüber sein müssen, wenn man so nett ist, sie schriftlich über den Vorgang zu informieren.
    Mit der Geschäftsleitung, der ARGE Köln wurde, inzwischen vereinbart, dass sie sich unverzüglich um den Fall kümmert und entsprechend handelt. Andernfalls droht ihnen eine Einstweilige Verfügung mit entsprechenden Bußgeldern bei Zuwiderhandlung.
    (via erwerbslosenforum.de, Bild via: Schall & Rauch, danke!)

    Quelle: Link

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