RAUBKOPIEN-Straffrei bei Bagatellfällen?

  • Allein bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe stauen sich 20.000 Anzeigen gegen Nutzer von Tauschbörsen. Justizministerin Brigitte Zypries möchte "Bagatellfälle" deshalb von der Strafverfolgung ausnehmen. CDU und Unterhaltungsindustrie wollen davon nichts wissen.

    Anfang nächsten Jahres will die Regierung die zweite Reformstufe des Urheberrechts umsetzen. In der aktuellen Vorlage ist ein Gesetzesvorbehalt eingebaut, der rechtswidriges Vervielfältigen straffrei stellt, wenn Kopien nur für den privaten Gebrauch und in geringer Zahl hergestellt werden.

    Diese "Bagatellklausel" würde auch die Staatsanwälte freuen, die sich über zusätzliche Belastungen beklagen und denen die Zeit für schwere Straftaten zunehmend fehlt. Bei den Strafverfolgungsbehörden denkt man laut über die Festlegung einer Grenze nach und will erst ermitteln, wenn eine bestimmte Anzahl von Musikstücken illegal angeboten wird.

    Mit so viel Pragmatismus aber will sich die Regierungspartei CDU nicht anfreunden. "Es wird so vermittelt, dass Raubkopien keinen Verstoß gegen geltendes Recht darstellen", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Krings, Mitglied im Rechtsausschuss und im Kultur und Medienausschuss. "Die Bagatellklausel ist unsinnig, weil es ein Signal in die falsche Richtung ist."

    Der Abgeordnete glaubt, dass die Strafverfolger auch ohne eine Klausel solche Verfahren bei Bedarf einstellen können, und setzt auf Abschreckung. Die Schlachtordnung sortiert sich und auch die Business Software Alliance (BSA) rüstet mit einem Gutachten zum Angriff auf die Raubkopierer. Nach dieser Studie würde die Reduzierung des Anteils illegal eingesetzter Software von 29 auf 19 Prozent in der deutschen IT-Wirtschaft in den nächsten Jahren mehr als 115.000 Arbeitsplätze schaffen - und Arbeitsplätze sind in der Politik immer noch ein durchschlagendes Argument, auch wenn es nur um eine wohlwollende Schätzung geht.

    Die Lobby drückt

    In der Europäischen Union arbeiten Kommission und Rat derzeit an der Harmonisierung von Strafvorschriften. Hinter der neutralen Formulierung verbirgt sich die Umsetzung einer Reihe von Verschärfungen des Strafrechts im Sinne der Industrie.

    Vor allem der Dachverband der europäischen Musikindustrie (IFPI) und der europäische Verlegerverband (EPC) wollen schärfer gegen Filesharer und Raubkopierer vorgehen. Auf der Wunschliste der Entertainment-Industrie steht die Aufnahme von Piraterie bei der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Kommen die Funktionäre und Lobbyisten mit dieser Forderung durch, dann steht einer flächendeckenden Kontrolle nichts mehr im Weg.

    "Die Zero Tolerance gegenüber der Piraterie ist Musik in unseren Ohren", sagt John Kennedy, Chairman der europäischen Musikindustrie (IFPI), "Europäische Künstler und Plattenfirmen haben enorm am Diebstahl geistigen Eigentums gelitten. Wir werden eng mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, um wirkliche Ergebnisse zu erreichen."

    Auch die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) freut sich in ihrer aktuellen Mitteilung zu den Quartalszahlen über härtere Strafen. "Dank sorgfältiger Ermittlungen der GVU fanden im Zeitraum von Januar bis September 2005 insgesamt 1350 Durchsuchungen von Räumlichkeiten verdächtiger Personen statt, zudem konnten 245.439 Filmraubkopien und 121.795 weitere Datenträger mit nicht legalem Inhalt sichergestellt werden". Die GVU war seit Januar dieses Jahres an der Einleitung von 1978 Verfahren gegen Raubkopierer beteiligt.

    Keine pauschale Kriminalisierung

    Datenschutz und Verbraucherrechte tauchen in der aktuellen Diskussion kaum auf. Auf der europäischen Ebene versuchen einige Initiativen der pauschalen Kriminalisierung von Konsumenten etwas entgegenzusetzen. "Die Industrie besteht auf der Information oder besser auf der Falschinformation der Kunden, was sie in der digitalen Welt nicht tun dürfen", sagt Jim Murray, Direktor des europäischen Dachverbands der Verbraucherschützer (BEUC). "Wir glauben, dass es höchste Zeit ist den Konsumenten Grundrechte in der digitalen Welt zu garantieren und ihnen zu sagen, was sie mit ihrer Hardware und ihren Inhalten tun dürfen." Gefordert werden unter anderem ein Recht auf Schutz der Privatsphäre und das Recht darauf, nicht pauschal kriminalisiert zu werden.

    Bisher haben die Gerichte bei der Herausgabe von Kundendaten der Musikindustrie und den Rechteinhabern in der Regel eine Absage erteilt. Trotz des Verdachts der Verbreitung illegaler Kopien mussten die Provider nicht die Daten ihrer Kunden preisgeben. Die Richter verwiesen in ihrer Begründung auf die fehlende gesetzliche Grundlage, was sich im nächsten Jahr aber ändern wird.

    "Es gibt eine europäische Richtlinie, die den rechtlichen Auskunftsanspruch durch Dritte vorsieht und das wird auch umgesetzt", erklärt Henning Plöger, Pressesprecher des Bundesjustizministeriums. "Dazu wird es ein eigenes Gesetz geben, aber es wird nicht Teil der Reform des Urheberrechts."

    Bisher gibt es nur einen Referentenentwurf und die genaue Ausgestaltung wird darüber entscheiden, wie bürgerfreundlich das Gesetz letzten Endes ausfallen wird. Der Entwurf sieht vor, dass jeder Rechteinhaber beim Zivilgericht den Provider zur Herausgabe der Verbindungsdaten verpflichten kann.

    Die Kämpfer für das Urheberrecht setzen derzeit auf eine Hilfskonstruktion und einige Hersteller von Computerspielen arbeiten mit dem Schweizer Unternehmen Logistep zusammen, um Tauschbörsen nach illegalen Angeboten und besonders fleißigen Kopierfreunden zu durchsuchen. Ein Client durchforstet die Netze automatisch und speichert IP-Adressen und Zeitpunkt des Angebotes. Anschließend stellen Rechtsanwälte im Auftrag des Unternehmens eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und der Provider wird aufgefordert, die entsprechenden Protokolle bis zu einer richterlichen Entscheidung nicht zu löschen. Eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorgehen gibt es bisher nicht.

    Bei dem massiven Widerstand gegen die vorgesehene Bagatellklausel ist es offen, ob sich Ministerin Brigitte Zypries durchsetzen wird. Rechteinhaber, Lobbyisten und die Unterstützer im Bundestag setzen weiter auf eine harte Haltung im Urheberrecht. Ein gesetzlich geregelter Auskunftsanspruch im Sinne der Unterhaltungsindustrie und die Aufnahme von Piraterie bei der Vorratsdatenspeicherung wären die nächsten Schritte für eine flächendeckende Ausforschung der Internetnutzer.

    Quelle: http://www.spiegel.de
    Direkt: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,391198,00.html

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  • *LOL*

    Den Herrn wachsen wohl die "Bagatell Fälle" über
    die Ohren,deswegen entledigt man sich ihnen dann
    galanterweise so.:gmst:


    Gr33ts

    @Jacki:agl:

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

  • Leidet die Justiz jetzt etwa unter Verstopfung, diese Problematik war doch wohl absehbar ,oder ?!
    Nun ja Bürokraten denken ja nicht vorausschauend bzw. benutzen nicht den gesunden Menschenverstand :noid: .
    Privatkopierer zu kriminalisieren war doch wohl nicht ein so guter Schachzug.

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  • Ich denk ma es gibt da echt wichtigere Probs, als nen kleinen Kopierer der für Tante Erna und ggf. für 50 Cent den Förster vom Silbersee vertickt....

    Aber soll die UDC.. aem CDU mal nur sich querstellen, Kapital findet ja immer seinen Weg =)

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    Respect the Scene, Respect their Work !

  • Jeder zahlt ja eh schon pro DVD/CD-Brenner, Scanner und Datenrohling eine Gema-Gebühr - wenn jetzt pro verkauften Gerät 1 € und pro Rohling so 0,05€ - 0,10€ mehr fällig wären und man somit eine sog. Kulturflatrate, wie sie das atm in Frankreich diskutieren, einführe würden, dann wären doch alle glücklich, oder?!? Denn anders lässt sich das Problem wohl auf absehbare Zeit nicht mehr unterbinden...

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    "Ich bin unschuldig, ich bin Amerikaner"

    Zitat:

    Baphomet's Fluch 1

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