Stoiber empört über Merkels Alleingang
CSU-Chef Stoiber ließ seinem Unmut freien Lauf: In einer Schaltkonferenz der Christsozialen wetterte er gegen die designierte Kanzlerin Merkel. Diese hatte versucht, CSU-Landesgruppenchef Glos hinter Stoibers Rücken ins Kabinett zu holen. Im Gegenzug nominierte der Bayer jetzt Merkels Intimfeind Seehofer.
Berlin/München - Der Personalpoker in der Union um die Ministerämter hat zu einem schweren Konflikt zwischen Edmund Stoiber und Angela Merkel (CDU) geführt. In einer telefonischen Schaltkonferenz des CSU-Präsidiums zeigte sich Stoiber heute Morgen verärgert über Merkels Verhalten im Zusammenhang mit der Besetzung des zweiten Ministerpostens, der der CSU zusteht. Das CSU-Präsidium billigte in der Konferenz die Benennung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Horst Seehofer zum zukünftigen Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
AP
Stoiber, Merkel: "Hineinregieren in seine Domäne"
Merkel und Stoiber wollen am Nachmittag die komplette Liste der Minister vorstellen, die von CDU und CSU ins Kabinett entsandt werden, falls die Große Koalition zu Stande kommt.
Der bayerische Ministerpräsident soll sich in der Schaltkonferenz über Merkels Vorgehen "überrascht" gezeigt haben. Er habe es als "Erschwernis" empfunden, dass Merkel von sich aus den CSU-Landesgruppenvorsitzenden Michael Glos als Verteidigungsminister ins Gespräch gebracht hatte, berichtete ein führendes CSU-Mitglied. "Er hat das als ein Hineinregieren in seine Domäne gesehen." Stoiber habe deutlich gemacht, dass die Entscheidung über die der CSU zustehenden Ministerämter allein Sache der Partei sei.
Zuvor hatte bereits die "Süddeutsche Zeitung" über Unmut in der CSU über das Vorgehen Merkels berichtet. Ein führender CSU-Politiker bezeichnete dieses als "sehr tricky" und sprach gegenüber der Zeitung von einem "eigenartigen Vorgang". Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, Merkel entscheide, wen die CSU neben Stoiber ins Kabinett entsende. "Das entscheidet die CSU und sonst niemand", zitierte das Blatt ein Präsidiumsmitglied.
Landespolitische Gründe für Seehofer
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von Rainer Helmbrecht
In der Schaltkonferenz am Morgen stellte sich das CSU-Präsidium geschlossen seinen ihren Parteichef. CSU-Vize Ingo Friedrich sagte im Anschluss, alle Präsidiumsmitglieder hätten bestätigt, die Entscheidung Stoibers mitzutragen. Der CSU-Chef wolle Seehofer vor allem aus landespolitischen Gründen in einer Großen Koalition mit am Kabinettstisch haben, hieß es von anderen Mitgliedern des Gremiums. Die Verantwortung für die Landwirtschaft habe eine größere Bedeutung für Bayern als die für das Verteidigungsministerium.
In der CDU wurde Kritik an der Nominierung von Seehofer laut. "Jene, die sich in Opposition zu Frau Merkel befinden, kommen jetzt zum Zuge - die SPD und Seehofer", sagte CDU-Vorstandsmitglied Heinrich-Wilhelm Ronsöhr der "Mitteldeutschen Zeitung". "Man kann ja Leute einbinden, aber sie müssen sich auch einbinden lassen. Ich finde es im Übrigen eigenartig, dass man mit einem Wahlprogramm antritt und dieses Programm dann durch Personalentscheidungen korrigiert." Ronsöhr nahm damit Bezug auf die Kritik, die Seehofer über Monate am Reformkurs von Merkel geäußert hatte.
Auch innerhalb der CSU-Landesgruppe wurde Kritik an Seehofer laut. Ein namentlich nicht genannter CSU-Abgeordneter warf Seehofer in der "Süddeutschen Zeitung" vor, er sei illoyal und reite "auf der egomanischen Exzentrikwelle". Dass er nun für sein Verhalten belohnt werde, sei in der Landesgruppe auf massive Widerstände gestoßen, berichtet die Zeitung weiter.
De Maizière leitet Kanzleramt
Darüberhinaus sind alle Personalfragen der Union geklärt. Wie hochrangige Unionskreise gegenüber SPIEGEL ONLINE bestätigten, wird der sächsische Innenminister Thomas de Maizière (CDU) Kanzleramtsminister. Der Parlamentarische Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU), der lange für den Posten im Gespräch war, wird auf seinem Platz bleiben. Neuer CDU-Generalsekretär wird Vize-Fraktionschef Ronald Pofalla. Er wird nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wahrscheinlich bereits Mitte November das Amt übernehmen.
MINISTER
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SPD-Ministerriege steht fest
Dem Kabinett werden neben de Maizière folgende CDU-Politiker angehören: Der hessische CDU-Fraktionschef Franz Josef Jung (Verteidigung), Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen (Familie), die ehemalige Kultusministerin von Baden-Württemberg, Annette Schavan (Bildung) und der frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble (Innen), der bereits unter Kanzler Helmut Kohl unter anderem Innenminister war. Generalsekretär Volker Kauder soll in Zukunft die CDU/CSU-Bundestagsfraktion führen. Stoiber war seit der Grundsatzvereinbarung zwischen Union und SPD über die Bildung einer Großen Koalition als neuer Wirtschaftsminister gesetzt.
Bundestags-Vizepräsidentin soll Gerda Hasselfeldt (CSU) werden. In einer Kampfabstimmung in der CSU-Landesgruppe setzte sich die 55-Jährige gegen die Wirtschaftsexpertin Dagmar Wöhrl, 51, durch. Nachdem der CDU-Politiker Norbert Lammert Bundestagspräsident werden soll, steht nach der Fraktionsordnung der CSU für den Vizepräsidentenposten, der noch der Union zufällt, das alleinige Vorschlagsrecht zu.
Die Entscheidung für den 51-Jährigen de Maizière war erst gestern gefallen. Der Jurist war auch Leiter der Staatskanzleien von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Er ist der Cousin des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière. Unter ihm hatte Merkel ihre politische Karriere 1990 als stellvertretende Regierungssprecherin der DDR begonnen. Thomas de Maizière hatte noch in der vergangenen Woche einen Wechsel nach Berlin ausgeschlossen und erklärt, dass er seine politische Zukunft in Sachsen sehe.
Quelle:http://www.Spiegel.de