GILLIAMS HOLLYWOOD-QUALEN"Ich habe auf das blöde Nasenteil verzichtet"

  • Die Gebrüder Grimm als Actionhelden? Kein Problem für Regisseur Terry Gilliam. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt der ehemalige Monty-Python-Komiker, warum er mit Hollywood nicht kompatibel ist, und warum "Brothers Grimm" fast an einer Petitesse gescheitert wäre.


    SPIEGEL ONLINE: (Terry Gilliam erscheint in knallbunten Slippern zum Interview) Herr Gilliam, wo bitte kann man denn solche hässlichen Schuhe kaufen?

    Gilliam: Die sind doch nicht hässlich! Ich verstehe gar nicht, warum jeder so entsetzt ist über diese Dinger. Diese Schuhe sind ein Geschenk meiner Frau, sie hat sie mir ursprünglich für die Gartenarbeit gekauft. Aber ich finde, die sind viel zu schade, um sie mit Schlamm und Dreck zu besudeln. Mit solchen tollen Schuhen muss man einfach unter das Volk. Mittlerweile bereut es meine Frau, dass sie mir die Schuhe jemals gekauft hat und schämt sich für mich. Sie dachte, sie könnte mich auch mal schockieren, der Schuss ging aber eher nach hinten los.

    SPIEGEL ONLINE: Sie provozieren also nicht nur mit Ihren Filmen gerne, sondern auch im Privatleben?

    Gilliam: Nein, ich provoziere nicht, die Menschen fühlen sich vielmehr von mir provoziert. Viele denken immer, ich würde den ganzen Tag nur zu Hause sitzen und überlegen, wie ich anderen eines auswischen kann. Das stimmt gar nicht! Die Gabe, andere ständig zur Verzweiflung zu bringen, ist mir offensichtlich angeboren.


    SPIEGEL ONLINE: Wie hält es Ihre Frau dann schon seit 32 Jahren mit Ihnen aus?

    Gilliam: Was glauben Sie denn, wie viel Geld wir schon für Therapiekosten ausgegeben haben. Ein Vermögen!

    SPIEGEL ONLINE: Und wer kümmert sich um die armen Schauspieler, die unter Ihrer berühmt-berüchtigten Regiearbeit leiden müssen?

    Gilliam: Die haben's doch nun wirklich gut, wenn die am Set erscheinen, habe ich die nervige Drecksarbeit ja schon längst erledigt.

    SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie?

    Gilliam: Na, was glauben Sie wohl, welche Höllenqualen man schon im Vorfeld durchstehen muss, wenn man sich darauf einlässt, mit einem großen Hollywood-Studio wie Miramax zu arbeiten? Da gehen hinter den Kulissen Dinge ab, das glaubt einem kein Mensch.

    SPIEGEL ONLINE: Plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen.


    Gilliam: Ich hatte kurz vor Drehbeginn zu "Brothers Grimm" einen handfesten Streit mit den Weinstein-Brüdern Bob und Harvey, den Oberbossen der Miramax-Studios. Die Auseinandersetzungen sind schließlich derart eskaliert, dass das komplette Filmprojekt kurz vor dem Aus stand. Und wissen Sie, worum es ging? Um eine Nasenverlängerung für Matt Damon, der den Wilhelm Grimm spielt. Ein kleines übergestülptes Stück Gummi hätte fast eine riesige Katastrophe ausgelöst. Die riesige weltweite Schar unfreiwilliger Väter weiß, wovon ich spreche.

    SPIEGEL ONLINE: Wieso wollten Sie Matt Damon überhaupt eine Nasenverlängerung verpassen?

    Gilliam: Weil mir seine Nase im Profil nicht ausdrucksstark genug war für diese Rolle. Als Regisseur habe ich meine ganz klaren Vorstellungen davon, wie jeder Charakter und jede Einstellung des Films aussehen muss. Das ist mein Arbeitsstil, jeder weiß es, und wem das nicht passt, der soll mich nicht engagieren. Fertig! Ich lasse mir von niemandem reinreden in meine Arbeit, auch nicht von einem Weinstein. Und schon gar nicht, wenn er mit so lächerlichen Argumenten daher kommt. Weinstein ist es wichtig, dass die Schauspieler auf den Filmplakaten ganz normal aussehen, weil er tatsächlich glaubt, das zieht mehr Leute ins Kino. Ich halte das für Schwachsinn. Es ist nun mal die Aufgabe von Schauspielern, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und sich auch dementsprechend äußerlich verändern zu lassen, wenn es nötig ist. Aber Weinsteins Ansicht ist in Hollywood leider weit verbreitet. Ich hatte schon bei meinem Film "Fear and Loathing in Las Vegas" das gleiche Problem, weil das Studio nicht wollte, dass Johnny Depp einen Schnurrbart trägt.


    SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie sich schließlich doch noch mit Weinstein geeinigt?


    Gilliam: Ich habe auf das blöde Nasenteil verzichtet, nachdem Weinstein gedroht hat, den Film nicht zu machen. Wie lachhaft: Ein 80 Millionen Dollar Projekt hängt am seidenen Faden, weil man sich über ein Nasenteil streitet. Mir persönlich waren Weinsteins Drohungen egal, mir ging es um das Prinzip, mir nicht in meine künstlerischen Ansichten pfuschen zu lassen. Ich war deshalb fest entschlossen, das Projekt abzublasen. So lasse ich mich einfach nicht behandeln. Ich habe aber Matt Damon zuliebe doch noch eingelenkt, er wollte den Film unbedingt machen und hat mich angefleht, nachzugeben. Matt ist wirklich ein guter Überzeuger, der wäre auch ein exzellenter Produzent. Er ist sowas wie ein moderner Con-Man des Filmgeschäfts. Wenigstens durfte Matt aufgrund seiner diplomatischen Fähigkeiten am Ende doch noch Koteletten tragen, die wollte Weinstein ebenso verhindern wie eine Nickelbrille für Heath Ledger. Solche Diskussionen machen meine Stimmung kaputt, unter solchen Umständen habe ich einfach keine Lust mehr, Filme zu drehen.


    SPIEGEL ONLINE: Sie scheinen über die Jahre hinweg eine Art Hassliebe zu Hollywood entwickelt zu haben.

    Gilliam: Das trifft es ganz gut. Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Filmemacher und suche ständig nach dem ultimativen Projekt. Das ist in Hollywood allerdings fast unmöglich, denn dort regieren zu viele Leute, die keine Ahnung haben vom Filmemachen. Mut ist dort ebenso ein Fremdwort wie Kreativität. Das ist wirklich schade. Letztlich profitieren davon in erster Linie die kommerziell ausgerichteten Regisseure. Ich sehe mich jedenfalls nicht als Hollywood-Regisseur im klassischen Sinne wie etwa Steven Spielberg einer ist. Wer sich meine Filme ansieht, muss wissen, dass er gefordert wird. Ich drehe keine Filme, bei denen sich die Leute zwei Stunden in ihren Sessel lümmeln, pausenlos Popcorn in sich hinein stopfen und das Hirn ausschalten. Tur mir leid Leute, da muss ich euch enttäuschen. Ich hatte schon zahlreiche Angebote für Filme mit riesigen Budgets, aber wenn die künstlerische Umsetzung nicht stimmt, ist mir das viele Geld egal. Dann mache ich es nicht.

    SPIEGEL ONLINE: Sie bereuen also nicht, die Regie für sehr erfolgreiche Filme wie "Harry Potter und der Stein der Weisen" oder "Forrest Gump" abgelehnt zu haben?


    Gilliam: Nein, denn es wären keine Terry-Gilliam-Filme geworden, weil die kreativen Spielräume viel zu gering gewesen wären. Die vielen Auflagen der Studios machen aus Regisseuren solcher Filme am Ende nur bessere Erfüllungsgehilfen. Harry-Potter-Erfinderin J.K. Rowling wollte ursprünglich, dass ich ihre Bücher verfilme, weil sie mich als visionären Phantasie-Experten kannte. Doch das Studio hat letztlich Chris Columbus durchgesetzt, weil der bereit war, einen netten Familienfilm zu drehen, der riesige Profite einspielte. Das ist nicht mein Ziel. Ich will Filme drehen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen - positiv oder negativ, das ist mir völlig egal. Hauptsache, die Leute sind bewegt.

    SPIEGEL ONLINE: Die Besucherzahlen an den Kinokassen sind in diesem Jahr stark rückläufig, die Studios suchen nach Auswegen. Sehen Sie darin eine mögliche Chance für Ihren Arbeitsstil?

    Gilliam: Nicht wirklich, Hollywood wird immer extrem profitausgerichtet beiben. Die Industrie ist einfach zu reich geworden, zu gleichgeschaltet und wird zu stark kontrolliert von börsennotierten Weltunternehmen und deren Nein-Sagern an der Firmenspitze. In Hollywood wird ständig nur der gleiche Müll produziert, weil jeder nur auf Nummer Sicher gehen will. Schlimm ist das. Deshalb bin ich sehr froh, dass es die Franzosen gibt. Das sind die einzigen, die den Amis beständig die Meinung geigen.

    SPIEGEL ONLINE: Wenigstens haben Sie Ihren Humor nicht verloren. Wieso bringen Sie nicht einfach die verbliebene Monty-Python-Truppe wieder zusammen und produzieren Komödien?

    Gilliam: Nach dem Tod von Graham Chapman ist einfach die Luft raus. Wir haben ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt, aber irgendwie klappt es nicht. Vielleicht ist das auch gut so, wir hatten unsere Zeit. Dafür bin ich wirklich dankbar. Es freut mich, dass unsere Werke von damals vor allem in Europa noch immer einen ziemlich hohen Kultstatus genießen.

    Das Interview führte Andreas Renner

    Quelle:spiegel.de
    Link:http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,378271,00.html

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

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