Nach der fünften Absage hat der Bewerber noch Hoffnung, nach der 50. schiebt er mächtig Frust. Dem machen Arbeitssuchende in Berlin jetzt Luft: Sie verschicken selbst Absagen an Unternehmen - ein Akt subtiler Rache, bei der eine kleine Agentur mit "diplomierten Chefabsagern" hilft.
Bei der Durchsicht der täglichen Post dürften die Personalchefs vieler Unternehmen derzeit des öfteren verdutzt schauen. Normalerweise sind sie diejenigen, die täglich negative Bescheide an Bewerber verschicken, nun bekommen sie selbst Absagen - von Bewerbern, und zwar auf aktuell ausgeschriebene Stellenzeigen des eigenen Unternehmens.
Das klingt dann so: "Nach sorgfältiger Prüfung Ihres Angebotes muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich die angebotene Stelle nicht antreten werde. Ich versichere Ihnen, dass meine Entscheidung keine Abwertung Ihrer Person oder Ihres Unternehmens bedeutet, sondern ausschließlich auf meine Auswahlkriterien zurück zu führen ist. Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Nachricht geben zu können und wünsche Ihnen und Ihrem Unternehmen für die Zukunft alles Gute."
Von solch subtiler Rache träumt wohl mancher Arbeitssuchende, der von den zahlreichen Absagen auf seine Bewerbungen frustriert ist. Das passende Schreiben dazu formuliert gegen Auftrag die Absageagentur in Berlin. Unter dem Motto "Verkaufen Sie sich nicht unter Wert - sagen Sie lieber gleich ab", bietet die Agentur an, "hochwertige Absagen auf aktuelle Stellenanzeigen zu schreiben".
Auf der Absage stand noch der Dateiname
Ins Leben gerufen wurde das skurrile Projekt mit dem ernsten Hintergrund von Thomas Klauck. Nach seinem Studium der Philosophie und Kulturwissenschaften pendelte er zwischen Gelegenheitsjobs und Arbeitslosigkeit. Als dann auf einer der Absagen auf seine zahlreichen Bewerbungen unten noch der Dateiname "standard3.doc" stand, war das Maß voll. "Damit wird einem endgültig klar gemacht, dass man nur noch ein Objekt ist, das nicht gebraucht wird", sagt Klauck.
Klauck bedient sich bei der Persiflage deshalb genüsslich der Floskeln und Formulierungen, die in Stellenangeboten oder Bewerbungsgesprächen verwendet werden. Doch hinter der ironischen Fassade steckt ein gesellschaftskritischer Kern. Durch Absagen fühlen sich Arbeitslose nur noch überflüssiger. "Arbeitslosen hängt das Stigma an, sie hätten sich nicht genügend bemüht", sagt Katrin Lehnert, die Spanisch und Ethnologie studiert und das Projekt mit entwickelt hat. "Aber es gibt einfach nicht genug qualifizierte Jobs." Gleichzeitig definiere sich die Gesellschaft immer noch vornehmlich über Erwerbsarbeit und erkenne Kindererziehung oder ehrenamtliche und kulturelle Tätigkeiten nicht als richtige Arbeit an.
Mit der Absageagentur wollen Klauck und Lehnert nun Leidensgenossen eine Möglichkeit bieten, ihren Frust zurückzugeben. "In unseren Schreiben setzen wir die immergleichen Formulierungen und das Mitleid, das in Absagen geheuchelt wird, um", erklärt Klauck. Auf der Internetseite gibt es verschiedene Musterschreiben zum Herunterladen, in ihrem Büro in Berlin-Kreuzberg helfen die Agenturmitarbeiter bei der Formulierung von Initiativabsagen.
Diplomierter Chefabsager
Außerdem bietet die Absageagentur nach eigenen Angaben "einen effizienten Service, wenn es darum geht, problematische Stellenangebote zu erkennen". Sie übernimmt auch die Portokosten. Finanziell unterstützt wird das Projekt von der Stiftung Mitarbeit und dem politischen Förderfonds Netzwerk Selbsthilfe e.V.
Thomas Klauck sitzt an seinem Schreibtisch unter einem Zeugnis, das ihn als "Diplomabsager" ausweist, der "nach den gesetzlichen Bestimmungen berechtigt ist, das Amt des Chefabsagers auszuüben". An den Wänden hängen die schönsten Absageschreiben. So hat ein Grafiker unbezahltes Praktikum bei einer Wochenzeitung abgelehnt, da es nicht seinen Gehaltsvorstellungen entspricht. Ein anderer begründete seine Absage an ein Callcenter unter anderem damit, dass das Unternehmen aus einer Firma hervorgegangen sei, "die kurz vor Einstellung des Geschäftsbetriebs ca. 100 MitarbeiterInnen auf Honorarbasis nicht bezahlt hat".
Auf eine seiner Absagen hat Thomas Klauck sogar eine Antwort erhalten. Nachdem er einem großen Pharmakonzern geschrieben hatte, dass er sich nicht als Humankapital sehe, antwortete die Personalchefin im schönsten Verwaltungsdeutsch: "Bezug nehmend auf Ihr Schreiben und die darin enthaltene Angebotsablehnung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass weder eine Bewerbung noch weiterführende Interviews sowie eine Offertlegung erfolgte. Somit gehen wir von einem Irrtum aus und sehen Ihr Schreiben als gegenstandslos an."
Ihm sei klar, dass seine Aktion auf Arbeitgeberseite nichts verändern werde, sagt Thomas Klauck. "Doch man kann frustrierten Bewerbern zumindest kurzfristig die Resignation nehmen und das Bewusstsein für den Wert der eigenen Arbeit stärken."
Quelle:spiegel.de
Link:http://www.spiegel.de/unispiegel/job…,351524,00.html
Greets
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