Eine Liste mit 240.000 Namen von Geheimdienstagenten, Informanten, aber auch Opfern aus der kommunistischen Ära sorgt momentan in Polen für großen Wirbel. Sie war eigentlich im polnischen Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) unter Verschluss. Seitdem dem Journalisten und früheren Regimekritiker Bronislaw Wildstein gelang, sie zu kopieren und Namen daraus abzudrucken, wird diese Liste in Polen "Lista Wildsteina" (Wildstein-Liste) genannt.
Seit einigen Tagen sind nun Kopien der gesamten Liste im Internet in Umlauf. Sie ist auf vielen Websites und in Tauschbörsen erhältlich. Sogar eine abfragbare Datenbank-Version steht mittlerweile zur Verfügung. Als der Fall bekannt wurde, stürzten sich viele Polen auf die Liste, um beispielsweise nach Namen vermisster Angehöriger zu suchen. Polnische Suchmaschinen verzeichneten einen regelrechten Besucheransturm.
Der polnische Premierminister Marek Belka spricht von einer realen Bedrohung, die von der Internet-Veröffentlichung der Liste ausgehe. So könnten etwa Realnamen von nach wie vor aktiven polnischen Spionen darin zu finden sein. "Ich will keine Panik machen. Aber es besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass einer oder mehrere Agenten nun bedroht sind", sagte Belka. Der Premier kündigte an, sich in der kommenden Woche bei Gesprächen am Institut des Nationalen Gedenkens ein genaues Bild der Lage verschaffen zu wollen.
Auch Wildstein selbst hat sich jetzt zu Wort gemeldet. In der polnischen Zeitung Trybuna schrieb er auf der Titelseite: "Jetzt hört der Spaß auf." Polnische Nachrichtendienst-Mitarbeiter seien in Gefahr gebracht worden, Geheimdienst-Operationen müssten verschoben und Agenten verlegt werden. Wildstein bestritt, an der Verbreitung der Liste im Internet beteiligt zu sein.