Pakt zwischen Mensch und Predator

  • Dritte Gruppen als Feinde: Paul Andersons "Alien vs. Predator"

    Die Science Fiction, vor allem das Subgenre des Alienfilms, ist prädestiniert dafür, uns die Grenzen unseres eigenen Denkens durch einen Blick in ferne Zeiten und Welten aufzuzeigen. Besonders dann, wenn diese Ferne als fremd und feindlich dargestellt wird, laboriert das Genre gekonnt mit den latetenten Phobien, unserem Verlangen nach Kontrolle (oder zumindest Überblick) und unserem Wunsch nach Vereinnahmung des Fremden.


    Paul W. S. Anderson, Spezialist für filmische Computerspiel-Adaptionen (Mortal Combat, Resident Evil und nun Alien vs. Predator, dessen Vorlage wiederum auf einer Comicserie basiert), hat die Zuschauer seiner Science Fiction-Filme immer wieder mit jenem Fremden, dem Anderen konfrontiert: In Event Horizon (1997) trat es als "das Böse" durch eine Zeitraumverzerrung in die Welt und hat die Wissenschaftler einer Forschungsstation in der Nähe des Neptun in den Wahnsinn getrieben. Der Blick in die Unendlichkeit, welche sich in einer künstlich erzeugten Singularität offenbarte, hat als Tribut den Verstand und schließlich das Leben der mit ihm Konfrontierten gefordert. In Resident Evil (2002) stießen ganz andere Forscher, nämlich Entwickler biologischer Waffen, auf ein Virus, das Tote zurück ins Leben ruft. Das Virus überträgt sich durch Bisse, die den Gebissenen binnen kurzer Zeit ebenfalls in einen beißenden Untoten verwandeln. Die Konfrontation mit dem Anderen verändert die Helden aus Andersons Filmen und katapultiert sie nicht selten aus vertrauten Bereichen in die Bannmeile der Alterität (Event Horizon: in den Wahnsinn; Resident Evil: in den Kannibalismus).


    Die Struktur dieser Anderson'schen Alteritätsmärchen ist auch in seinem neuen Science-Fiction-Film Alien vs. Predator zu finden: Ein Trupp Wissenschaftler exploriert ein fremdartiges "Objekt" und entwickelt dabei Abenteurer- und Kämpferqualitäten. Die Entdeckung in Alien vs. Predator ist wie in Event Horizon extraterrestrischer Natur: Tief unter dem antarktischen Ross-Eisschelf ortet ein Satellit ein riesiges pryramidenförmiges Artefakt. Die Weyland-Corporation, der der Satellit gehört, stellt daraufhin ein internationales Expeditionsteam zusammen, welches das Phänomen untersuchen soll. Als man in der Antarktis angekommen ist, klafft ein tiefes Loch im Eis, das 24 Stunden zuvor noch nicht dort war. Es führt von der Erdoberfläche bis direkt hinunter vor den Eingang des Objektes, das sich als riesige aztekische Pyramide entpuppt.


    Erinnerungen an Erich von Däniken


    Es ist auffällig, wieviele Kolonialismusmotive Anderson in seinem Film versammelt: Nicht nur führt er sein Forscherteam auf den letzten "weißen Fleck" der Weltkarte, die Antarktis, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts das finale "race for colonies" ausgelöst hatte (das der Antarktis-Vertrag 1959 schließlich beendete). Das Schiff, das sie dort hinführt heißt "The Piper Maru" - der Name erinnert nicht nur an eine Akte-X-Folge, sondern auch an einen legendären Inka-Priester namens Aramu Maru, der sein Volk vor den brandschatzenden Spaniern in Sicherheit gebracht haben soll. Schließlich wird dem Motiv der Azteken-Pyramide eines weiteres altes Kolonialismusmotiv in den Film eingeführt: Abermals steht ein Trupp bewaffneter Entdeckungsreisender vor jener verschwundenen Kultur - Nachfahren des Conquistadoren Hernán Cortés, der um 1520 "Mexico von den Azteken befreit" hat. Und folgerichtig stoßen die Entdecker unter dem Eis der Antarktis auf bekannt Unbekanntes; auf das Andere.

    Die Pyramide und ebenso ihre Pendants in Mexiko und Ägypten, so erfahren wir, wurde vor Jahrtausenden von außerirdischen "Großwildjägern", den Predatoren, gebaut. Sie dienten diesen als Kampfarena, in der eine weitere Spezies, die Aliens, gezüchtet und bei Jagdausflügen dezimierten wurden. Die Azteken, die die Predatoren als Götter anbeteten, fungierten in diesem Spektakel als Sklaven der Predatoren und Brutstätten der Aliens. Dass Anderson die Geschichte früher Hochkulturen mit dem Erscheinen von Außerirdischen verzeitet, ruft nicht nur Erinnerungen an Erich von Däniken wach, sondern offenbart auch einen interessanten alteritätstheoretischen und postkolonialistischen Aspekt der Erzählung.


    Fiktionaler Ethnozentrismus


    Die Erzählung von "Alien vs. Predator" ließe sich nämlich, und die Verknüpfung Aliens-Azteken-Antarktis legt dies nahe, ohne große Mühe mit der postkolonialistischen Theorie lesen. Nach dieser Lesart zeigt sich hinter der Tatsache, dass die Menschen als "dritte Partei" in die Sportarena (den "versunkenen" Atzeken-Tempel) eindringen, jene fatal-dichotimistische Ideologie, welche auch schon die Konquista in unendecktes Land gelockt hat. Im Kampf gegen die wilde Übermacht gilt es zunächst Verbündete zu finden. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund", sagt einer der Forscher und schlägt sich damit auf die Seite der Predatoren, die zwar "anders" als die Menschen sind, aber in ihrer antropomorphen Gestalt, ihrer Schrift- und Bildniskultur und ihrem Jagdtrieb eben nicht so "ganz anders".

    Gerade hinter dieser Parteilichkeit verbirgt sich ein wichtiges sozialpsychologisches Motiv des von der Kolonialismusforscherin Frauke Gewecke 1

    untersuchten "fiktionalen Ethnozentrismus":


    Denn nicht nur die Abwehrhaltung gegenüber dem Fremden, auch "die Faszination durch das Fremde treten [...] auf, wenn die andere Kultur nicht als absolut fremd erfahren wird; wenn zu dieser Fremdkultur ein Minimun an Beziehung geknüpft werden kann, wenn schließlich die Distanz nicht als unüberwindbar erscheint. 2
    Im Wunsch hinter dem "ähnlichen Fremden" eine "edlen Wilden" zu sehen (was in der kolonialistischen Literatur ein Topos ist), werden dann auch schon einmal dritte Gruppen, die mit diesem "edlen Wilden" befeindet sind, ebenfalls zu Feinden erklärt 3 .


    "Wild, unzivilisiert und unmenschlich"


    Das ethnische Stereotyp, das im Kolonialismus "häufig als Rechtfertigung und Rationalisierung einer durch egoistische Motive hervorgerufenen feindlichen Einstellung" 4 gedient hat, wird in Andersons Film auf die Aliens übertragen. Der Egoismus der Jäger besteht hier zwar nicht in Land- oder Gold-Gewinnen, sondern für die Predatoren im Jagdvergnügen und für die Menschen in der Dominanz einer Spezies über die andere. Denn wenn die Aliens erst einmal an die Oberfläche gelangen und selbst Land für sich beanspruchen, dringen sie mit ihrer fremden Kultur nicht nur in den "Volkskörper" ein ...

    Sie, die Aliens, stehen im Film (und in der Analogie) für etwas "Ganzanderes": Von ihrer Morphologie über ihre parasitäre Art der Vermehrung bis hin zu ihrer verstandlosen, kreatürlichen Wildheit unterscheiden sie sich in allem Denkbaren von ihren Jägern. Ähnlich "wild, unzivilisiert und unmenschlich" beschrieben Entdecker der "neuen Welt" im 16. Jahrhundert die Menschen, auf die sie dort trafen - oft mit dem Zweck "ihr Tun angesichts möglicherweise laut werdender Kritik vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen" 5 . Es entbehrt also nicht einer gewissen sozialpsychologischen Logik, dass sich die Menschen in "Alien vs. Predator" den Jägern anschließen, ja zusammen mit diesen selbst zu Jägern werden und die Aliens im Verbund mit den Predatoren jagen und töten. Immerhin gibt es etwas zu beschützen - die (eigene) Zivilisation.


    Verlierer: der "heteronormative" Mann


    Andersons "fabelhafter" Science Fiction ist in dieser Hinsicht aber keineswegs affirmativ. Auf recht kritische Weise konfrontiert er uns nämlich nicht mit dem zu vernichtenden Fremden, sondern vielmehr mit uns selbst. Die Menschen, die den Aliens (und anfänglich auch den Predatoren) zum Opfer fallen, sind genau jene Grabräuber-Typen, Abenteurer und Zyniker, wie sie wohl auch unter den Konquistadoren zu finden gewesen sein mochten. Wie im Alteritäts-Science-Fiction seit den 1990er Jahren typisch, werden gerade die einstmaligen "Außenseiter" und sozial stereotypisierten Figuren zu Helden: Schwache, Dumme, Alkoholiker, Schwarze, Juden (vgl. Independence Day, Mars Attacks, Godzilla). Der Alienfilm scheint geradezu zu verlangen, dass das Andere nicht vom WASPischen, heteronormativen Mann bekämpft werden kann.

    "Alien vs. Predator" wirft ein interessantes Schlaglicht darauf, wie wir dem Fremden einmal begegnet sind und wie sehr sich zwar seitdem unser Verhalten, kaum aber unser Denken gegenüber diesem Fremden geändert hat. Die letzten verbliebenen Jäger (ein Predator und ein Mensch) veranstalten kurz vor Schluss ein wahres Genozid in der Pyramide. Als augenscheinliche Sieger verlassen also die Anthropomorphen die Arena. Im Schlussbild wird der Pakt zwischen Mensch und Predator noch durch einen Kriegsritus besiegelt. Ein Happy End - trotz offenen Endes - schon allein deshalb, weil es nur noch zwei klar voneinander unterscheidbare Fronten gibt und der Feind meines Feindes endlich als Freund erkennbar wird.

    Cheers

    @Jack(y):chrz:

    signatur_jack-sparrow.jpg

    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

  • Zitat

    Originally posted by AnTiTraX-2010^Alien
    Abgefahren interessant.

    Freud hingegen hat gesagt:"Eine Zigarre kann manchmal auch einfach
    nur eine Zigarre sein." ;)

    :tlt:Cheers:tlt:

    Jap, hin und wieder tauche ich auch in die psychologischen Themen gerne ein. Der Geist des Menschen ist der größte Spielplatz =)

    ...Davon ab soll Alien vs. Predator für Aktion Hardcore Fan´s angeblich nicht so doll sein, ich werd mich wohl selber von überzeugen müssen - wie Alien vs Predator wirklich ist....und ob irgendwas zwischen der Zigarre und der Leinwand überlebt hat :gmst:

    signatur_ami-01.jpg

    Respect the Scene, Respect their Work !

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