Exportschlager Kriegswaffen

  • Die Studie "Taking control" zeigt einmal mehr, wie ernst Europa Waffenembargos und moralische Selbstverpflichtungen nimmt

    Niemand geht wirklich davon aus, dass sich Rüstungsfirmen in Deutschland und anderen europäischen Staaten grundsätzlich und freiwillig an die Exportbestimmungen, Waffenembargos, politische Grundsatzentscheidungen oder gar moralische Erwägungen halten. Trotzdem sind die verschlungenen Wege, auf denen die genannten Vereinbarungen oder Absichtserklärungen umgangen werden, immer wieder dazu angetan, beträchtliches Erstaunen über die Vielfalt des legalen, halblegalen und kriminellen Erfindungsreichtums hervorzurufen.


    Amnesty International, Oxfam Deutschland und andere Nicht-Regierungsorganisationen haben Mitte der Woche den Bericht Taking control: The case for a more effective EU Code of Conduct on Arms Exports vorgestellt. Sie wollen die anstehende Überarbeitung des EU-Verhaltenskodexes für Waffenausfuhren nutzen, um Vorschläge zu unterbreiten, wie die Mängel der seit 1998 bestehenden Übereinkunft behoben werden können.

    Zu diesem Zweck führen die Organisationen eine Reihe von Beispielen an, welche die mangelnde Effektivität des jetzigen Systems eindrucksvoll veranschaulichen. Stellvertretend für viele andere ist der Fall der ukrainischen Rüstungsfirma Kharkiv Morozov in Charkow, die sich nach eigenen Angaben mit der deutschen Deutz AG und weiteren Geschäftspartnern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder den USA an der Bildung eines internationalen Konsortiums beteiligt hat. Das ist so weit legal, denn die Ukraine unterliegt in puncto Rüstungsgütern keinen Exportbeschränkungen von europäischer Seite.


    Doch das weitere Geschehen hat mit dem Geist internationaler Vereinbarungen wenig zu tun. Nach Auskunft von Kharkiv Morozov wurde von besagtem Konsortium der Schützenpanzer BTR-3U produziert und mit einem 30mm-Geschütz, Maschinengewehren, Granatwerfern und natürlich auch mit deutscher Wertarbeit ausgestattet. Die Panzer fahren offenbar serienmäßig mit einem Deutz-Dieselmotor vom Typ BF6M1015 - und zwar nicht nur in der Ukraine, sondern seit 2003 auch in Myanmar, wo sie der Militärdiktatur gute Dienste leisten, um Studentenproteste aufzulösen oder die Bürgerrechtler um Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Druck zu setzen.

    Weitere Rüstungsgüter gehen am Stück und als Dual-Use-Produkte von Europa auf direktem oder weniger offensichtlichem Weg nach China, Malaysia, Nepal und in viele andere Länder, in denen die Situation der Menschenrechte bedenklich bis katastrophal ist. Oder so unsicher wie im Irak, dem die Bundesregierung gleichwohl Panzer zur Verfügung stellen will. Telepolis sprach mit Mathias John, dem Rüstungsexperten von Amnesty International, über die aktuelle Situation.


    "Das eigentliche Problem besteht darin, dass im Zuge des sogenannten Anti-Terror-Krieges internationales Recht immer mehr aufgeweicht wird"


    Wenn Panzer, an deren Herstellung deutsche oder europäische Firmen beteiligt sind, auf dem legalen Umweg über die Ukraine nach Myanmar verschifft werden können, weist der EU-Verhaltenskodex offensichtlich erhebliche Mängel auf. Wo genau liegen die Schlupflöcher?

    Mathias John: Das Problem fängt schon bei den deutschen Exportkontrollen an. Die Regierung gibt sich zwar äußerst restriktiv, aber die von uns recherchierten Beispiele zeigen sehr deutlich, dass da irgend etwas nicht funktioniert. Vor allem im Bereich der Dual-Use-Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, wird ganz offenbar nicht genau genug kontrolliert.
    Darüber hinaus werden viele Produkte vom EU-Kodex überhaupt nicht erfasst. Es gibt zwar eine einheitliche Liste für Dual-Use-Güter, aber die ist nicht präzise genug. Wir brauchen neue und härtere Bestimmungen, denn es bedeutet natürlich einen entscheidenden Unterschied, ob jemand Bauteile für Traktoren oder für gepanzerte Fahrzeuge exportieren will. Auf der Internetseite von Deutz wird der Motor, der in den Schützenpanzer eingebaut wurde, als Landmaschinenmotor vorgestellt. Die Situation ist also wirklich sehr kompliziert.


    Um welche finanziellen Größenordnungen geht es bei diesen Transaktionen?

    Mathias John: Das kann niemand genau sagen, weil ganz einfach die Transparenz fehlt. Vor allem die Umweggeschäfte lassen sich überhaupt nicht seriös beziffern. Wir wissen allerdings aus offiziellen Statistiken, dass Deutschland 2002 Kriegswaffen im Wert von 318 Millionen Euro exportiert hat, insgesamt wurden im gleichen Jahr Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter im Umfang von 3,26 Milliarden Euro erteilt. Dazu kommen Sammelausfuhrgenehmigungen im Umfang von 2,55 Milliarden Euro, deren Empfänger für uns gar nicht nachprüfbar sind. Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass Produkte und Komponenten, die in befreundete Länder geliefert wurden, von dort noch einmal weitergeleitet werden können.


    Es geht also schon um einen wichtigen Wirtschaftsfaktor?

    Mathias John: Ja und nein. Natürlich geht es um viel Geld, aber man muss das im richtigen Verhältnis sehen. Ich gehe davon aus, dass der Anteil von Rüstungsgütern am deutschen Gesamtexport zwischen einem und fünf Prozent liegt, und das ist schon hochgegriffen. Deutschland könnte ohne größere Umstände vollständig auf diese Ausfuhren verzichten, aber das sieht die Rüstungsindustrie natürlich anders. Sie will Kompetenz und Technik unter allen Umständen vorhalten und international konkurrenzfähig bleiben.
    Dieses Thema hat auch ganz praktische Auswirkungen, wie die Diskussion um die deutschen Werften zeigt. Vor kurzem gab es eine große Demonstration in Kiel, bei der es um die Zukunft von HDW ging. Es wäre sicher keine gute Lösung, die angeschlagenen Werften auf die Weise zu konsolidieren, dass fortan nur noch Kriegsschiffe gebaut werden.


    Wie groß ist das Interesse der europäischen Regierungen, den EU-Verhaltenskodex zu reformieren?

    Mathias John: Die werden sich immer ihre Möglichkeiten offen halten. Das gilt insbesondere für die Regierungen Frankreichs und Englands, denn die Wirtschaft beider Länder hängt viel stärker vom Rüstungsexport ab als beispielsweise die deutsche. Deshalb muss man allerdings nicht akzeptieren, dass mit diesen Exporten in anderen Ländern schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Schließlich gibt es auch legitime Rüstungsexporte.


    Ist die Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Exporten nicht schon eine Art pazifistischer Selbstaufgabe?

    Mathias John: Das würde ich nicht so sehen, denn wir müssen pragmatisch an die Sachen herangehen. Grundlage all dieser Regelungen ist das Völkerrecht, danach ist jedes Land legitimiert, sich - zum Beispiel zum Zweck der Selbstverteidigung - zu bewaffnen.
    Damit könnten wir vorerst leben, und das eigentliche Problem besteht doch auch gerade darin, dass im Zuge des sogenannten Anti-Terror-Krieges internationales Recht immer mehr aufgeweicht wird. Der Internationale Strafgerichtshof, dessen Zuständigkeit die USA nicht anerkennen, muss an dieser Stelle sicher auch erwähnt werden. Wir sollten deshalb alles daransetzen, um weltweit einen höheren Grad von Verrechtlichung zu erreichen.


    Kehren wir noch einmal zu unserem Ausgangsthema zurück, und wechseln wir die Perspektive. Warum wollen Länder wie Myanmar oder Nepal überhaupt Rüstungsgüter aus Europa beziehen? Gibt es da nicht unauffälligere Bezugsquellen?

    Mathias John: Ich glaube, das ist nach wie vor eine Qualitätsfrage, aber es kommt ja auch längst nicht alles ans Tageslicht. Um diese Transaktionen aufzudecken, braucht man etwas Glück und in jedem Fall viel Geduld. Nepal ist dafür ein gutes Beispiel. Wir beanstanden seit Ende der 90er, dass Deutschland Jahr für Jahr den Export von Teilen einer Munitionsfabrik genehmigt. Immerhin werden sie in ein Land geliefert, in dem ganz offenkundig Bürgerkrieg herrscht. Und natürlich werden diese Rüstungsgüter auch eingesetzt - von der Armee gegen die Bevölkerung, von der Guerilla, wenn sie ihr in die Hände fallen, gegen die Armee und so weiter. Mit dieser Praxis gießen die exportierenden Firmen und Länder Öl ins Feuer statt zu einer zivilen Konfliktbewältigung beizutragen.
    Nepal wollte dann auch noch die passenden Gewehre in Deutschland kaufen, aber dieses Ansinnen ist erfreulicherweise abgelehnt worden, weil die Zivilgesellschaft, insbesondere diverse Nicht-Regierungsorganisationen, massiv protestiert haben. Mittlerweile sind die Interessenten wohl in den USA fündig geworden, denn der internationale Markt bietet selbstverständlich jederzeit Ersatz an. Deshalb brauchen wir - über den neuen EU-Verhaltenskodex hinaus - weltweite Regelungen, um diese Probleme auf Dauer in den Griff zu bekommen.


    Wie verhält sich Amnesty zur geplanten Lieferung deutscher Panzer in den Irak?

    Mathias John: Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir zunächst einmal genauere Informationen, was mit den Panzern im Einzelnen geschehen soll und wer sie einsetzt. Gegen die Ausfuhr unbewaffneter Fahrzeuge ist unter Umständen nichts einzuwenden, andererseits sind sie gepanzert, und Maschinengewehre lassen sich ohne größere Umstände aufmontieren. Wenn diese Panzer also irgendwann für unverhältnismäßige polizeiliche Einsätze gegen Demonstranten oder bei anderen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung genutzt werden, sind die Exportkriterien der Bundesregierung einmal mehr das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Es bedarf auch hier einer genauen Abwägung und Einschätzung der Situation vor Ort.

    Greeets

    @JAck:gmst:

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

  • ..Die Industrie interessiert sich eh 0 für Rechte und Gerechtigkeit - Wie ich schon sagte, nur mit gesetzlich verordneter scharfer Bewachung sollte man in Zukunft Unternehmen was "unternehmen" lassen.

    Sie Karstadt - Manager = 10 Mille Abfindung - Hans.P gleich Kündigungschreiben und 2000 Euro...

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    Respect the Scene, Respect their Work !

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