Blogs und Chatrooms verführen zum Bordellbesuch

  • Eine iranische Zeitung wittert ein großangelegtes "CIA-Spinnennetz" im Internet und legitimiert damit Verhaftungen regimekritischer Journalisten

    Im ihrem Jahresbericht 2003 bezeichnete die Organisation "Reporter ohne Grenzen" Iran als "größtes Gefängnis für Journalisten im Mittleren Osten". Auch in diesem Jahr sitzen nach Schätzungen der Nachrichtenagentur ISNA 15 Journalisten hinter Gittern und die Verhaftungswelle im Zusammenhang mit dem so genannten Crack-Down auf unliebsame Internetaktivitäten hält an: Am Dienstag wurde neuerdings ein Journalist, Rusbeh Mir-Ebrahimi, verhaftet, weil er für "verschiedene Internetseiten" gearbeitet habe.


    Nach Auffassung eines Kenners der iranischen Politik gegenüber regimekritischen Journalisten dürfte die Zahl der Verhaftungen in den nächsten Wochen noch steigen, nachdem ein Leitartikel in der iranischen Zeitung Kayhan, ein berüchtigtes Lautsprecherorgan der Hardliner, vor wenigen Tagen einen Plot "enthüllt" hat, wonach es in und außerhalb Irans ein Netzwerk von Internet-Journalisten und Bloggern gebe, das vom CIA geschaffen wurde, "um die Islamische Republik Iran zu unterminieren" und demzufolge "große Angriffe gegen sie organisiert".


    Der Artikel verfasst vom Chefredakteur der Zeitung und übertitelt mit "Das Spinnennetz" - eine Referenz an eine Koransure über Menschen, die sich von Allah abwenden und ihr "eigenes Haus bauen" - sei im Grunde eine "absurde Phantasie", so Hossein Derakhshan, ein ehemaliger iranischer Journalist, der vor einigen Jahren ins Exil nach Kanada ging. Aber trotz allerlei "Funny stuff" im Artikel und technischem Unwissen, das sich dort offenbare, sei er keineswegs harmlos, sondern ganz im Gegenteil alarmierend.


    Denn, nachdem der Artikel zunächst vage und nur in Andeutungen ausbreite, wie das vom CIA geschaffene und gesteuerte Netzwerk mit Operationsbasen in Europa arbeite, werde er sehr konkret und nenne die Namen von mehreren iranischen Journalisten, die in Iran und außerhalb arbeiten - auch der Name des am Dienstag verhafteten Journalisten Mir-Ebrahimi findet sich auf der Liste.


    Das Schicksal der im Artikel genannten Journalisten, die der Verfasser des Leitartikels für sein "verzweifeltes Szenario" heranzieht, sei Grund zur größten Sorge, so Derkhschan, da es erfahrungsgemäß zur Öffentlichkeitsstrategie der den Mullahs nahen Kräfte gehöre, dass die Zeitung Kayhan immer dann das "große Bild" aufzeige, wenn man die verschiedene Teile des Szenarios durch erste Verhaftungen in Gang gesetzt habe.

    Wie sehr sich bestimmte Kräfte im Iran bemühen, die Journalisten, die dem reformistischen Lager zugerechnet werden und im Internet aktiv sind, auf haarsträubende Weise zu diskreditieren, macht die im genannten Leitartikel des Kayhan geäußerte Strategie der CIA-Unterwanderung deutlich, wonach "interne Mitglieder" des "Spinnenetzes" "unschuldige junge Menschen zur Nutzung von Blogs und Chat rooms verführen würden und sie damit in "Häuser von Prostituierten" einführe.


    Selbstredend hat sich die tugendhafte Zeitung schon beizeiten darum gekümmert, dass Geistliche aus der heiligen Stadt Kom entsprechende Fatwas gegen die Nutzung bestimmter Internetseiten ausgesprochen haben und Zensurmaßnahmen - Filtern - ausdrücklich begrüßen. Wie berichtet (vgl. Ein ganzes Land raus aus dem Internet?) hegt man in Iran Pläne, sich durch ein landesweites Intranet - Projekt "Shaare'2" - von den dekadenten und die Islamische Republik unterminierenden Einflüsse des Internets abzuschotten.


    Cheers

    @JAck:pfct:

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

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