Droht eine Verstopfung durch P2P ?

  • Dem Netz droht Verstopfung. Mit dieser Diagnose gehen Netzbetreiber unter anderem in der heftig geführte Debatte um Netzneutralität hausieren. Verkehrsanalysen der Branche lenken die Diskussion dabei auf die möglichen Verursacher der gefürchteten Kapazitätsprobleme – und häufig zeigen die Finger auf Filesharing-Anwender, die inzwischen einen Großteil des weltweiten Traffics verursachen sollen. Zwei Unternehmen, die im wachsenden Markt für Trafficanalyse und -management aktiv sind, geben der Debatte mit frischen Zahlen neue Nahrung.

    Der kanadische Netzwerkausrüster Sandvine hat eine Analyse vorgelegt, derzufolge P2P-Traffic den Löwenanteil des nordamerikanischen Netzverkehrs ausmacht. Das Unternehmen hat Produkte und Lösungen im Angebot, mit denen Carrier ihren Traffic analysieren und steuern können. Mit der sogenannten Deep Packet Inspection (DPI) kann das System in die IP-Datenpakete schauen und die Natur der transportierten Daten erkennen. Hat der Carrier so erstmal einen Überblick, was alles über seine Netze läuft, kann er den Verkehr effektiv regeln. Für Hersteller wie Sandvine ist die angeblich drohende Verstopfung ein Verkaufsargument, das auf fruchtbaren Boden fällt: Zuletzt waren zwei große US-Kabelnetzbetreiber mit der Beschränkung von P2P-Traffic aufgefallen.
    Die Studie sei – zumindest für nordamerikanische Netze – repräsentativ, heißt es in dem Papier (PDF-Datei). Gemessen hat Sandvine den Datenverkehr in den Teilnehmernetzen "einiger führender nordamerikanischer Provider", ohne näheres zur Identität der Unternehmen zu sagen. Die Analyse des Verkehrsaufkommens in den Anschlussnetzen habe gegenüber Messungen an Peering- oder Übergabepunkten den Vorteil, dass der Binnenverkehr der Netze mit erfasst werde und so ein realistisches Abbild der tatsächlichen Nutzung entstehe. Die Ergebnisse seien auf andere Regionen übertragbar.
    Der Studie zufolge macht P2P 43,5 Prozent des Netzwerkverkehrs aus, gefolgt von normalem Browsen mit 27,3 Prozent und Streaming mit 14,8 Prozent. 5,9 Prozent des Traffics verursacht Tunneling (etwa VPN), VoIP-Traffic ist mit 0,2 Prozent abgeschlagenes Schlusslicht der Liste. Im Vergleich mit einer ähnlichen Untersuchung des Unternehmens aus dem Vorjahr legte der P2P-Anteil um 3 Prozentpunkte und Streaming um 3,6 Prozentpunkte zu, während die normale Webnutzung um 4,2 Prozentpunkte abnahm. Damit sei der relative Anteil von P2P zwar einigermaßen konstant, absolut nehme der Verkehr aber zu.
    Betrachtet man die von Sandvine vorgelegten Verkehrsdaten nach Up- und Download getrennt, ergibt sich für den Download ein ähnliches Bild: P2P führt mit 35,6 Prozent vor Browsing (31,6 Prozent) und Streaming (17,9 Prozent). Der Upload-Traffic vom Kunden ins Netz wird laut Studie dagegen zu Dreiviertel durch P2P verursacht, es folgen Tunneling (9,9 Prozent) und Browsing (9,1 Prozent). Die Dominanz des P2P-Traffics erklärt Sandvine mit der zunehmenden Popularität von Videos in P2P-Netzen, wachsenden Dateigrößen sowie dem größeren Upstream an Kundenanschlüssen. Das Fazit der Untersuchung: Zu Hochverkehrszeiten sind Verstopfungserscheinungen wahrscheinlich, eine mögliche Abhilfe hat Sandvine im Angebot.
    Auf gar 80 Prozent bezifferte Lawrence Roberts am vergangenen Mittwoch die von P2P beanspruchten Netzkapazitäten. Auf der Fachkonferenz Structrure 08 illustrierte der Vater des ARPAnet das Problem, dass fünf Prozent der Nutzer 80 Prozent der verfügbaren Bandbreite beanspruchten. Auch Roberts' Firma Anagran bietet den Netzwerkbetreibern Verfahren an, die Ressourcen im Netz verkehrsgerecht zu regeln und damit auch anderen Anwendungen die nötige Bandbreite zukommen zu lassen. Er wolle P2P-Nutzer damit nicht bestrafen, sondern für eine faire Verteilung der Ressourcen sorgen, sagte der Internet-Veteran. "Legal oder illegal ist überhaupt nicht die Frage", Robertson geht es um Fairness.
    Einer ähnlichen Untersuchung des Leipziger Traffic-Management-Anbieters ipoque vom November vergangenen Jahres zufolge beträgt der P2P-Anteil in deutschen Netzen 69 Prozent. Doch dürften die Repräsentativität dieser Zahl fraglich sein, da das Unternehmen seine Daten nur bei vier Universitäten und einem größeren Privatkunden-DSL-Provider erhoben hatte. (vbr@ct.heise.de/c't)

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