ZENSUR" Feindliches Element"

  • Amerikanische Internet-Firmen helfen Chinas Machthabern seit Jahren, ihr Volk auszuschnüffeln. Yahoo soll sogar einen Journalisten verpfiffen haben.

    Als Gao Qinsheng ihren Sohn das letzte Mal sah, erkannte sie ihn kaum wieder. Shi Tao, 37, sonst ein großer und kräftiger Mann, war völlig abgemagert. Er sah aus wie "Haut und Knochen". Ihr Sohn brauche einen Arzt, forderte Gao von der Gefängnisleitung.

    Doch stattdessen verlegte man ihn vor gut einer Woche in ein als "Maschinenfabrik" deklariertes Umerziehungslager. Dort, auf einer kleinen Insel im Dongting-See in der südchinesischen Provinz Hunan, muss er mit gut 30 Gefangenen einen Raum teilen. Wenn es schlecht für ihn läuft, die nächsten zehn Jahre lang.

    Sein Verbrechen: Der Journalist der Wirtschaftszeitung "Dangdai Shang Bao" hatte eine interne Anordnung der Kommunistischen Partei zum 15. Jahrestag des Tiananmen-Massakers an ein "überseeisches feindliches Element" weitergeleitet. Die Epistel enthielt nicht viel mehr als eine allgemeine Warnung vor der Rückkehr bestimmter Dissidenten - aber allein das Wort "Dissident" dürfte in den Filterprogrammen der Staatssicherheit hängen geblieben sein und einen der 40 000 Internet-Zensoren auf die Spur Shi Taos gebracht haben.

    Da der Journalist es aber verstand, seine Mails zu anonymisieren, forderten die chinesischen Behörden Hilfe an - von Yahoo. Und das amerikanische Internet-Unternehmen, über das Shi seine Mails verschickte, ließ sich offenbar nicht lange bitten. Ohne die servilen Amerikaner, so der Vorwurf der Organisation Reporter ohne Grenzen, wäre die Verhaftung Shi Taos nicht möglich gewesen. Das Urteil des Volksgerichts vom April bezieht sich ausdrücklich auf die von Yahoo "gelieferten" Informationen: den persönlichen Account und die sekundengenaue Sendezeit der zersetzenden Schrift.

    Für Yahoo wurde der Fall zum PR-GAU. Erst nach diversen Zeitungsberichten sonderte die Sprecherin Mary Osako einen Satz ab: Die jeweiligen Yahoo-Niederlassungen müssten im Rahmen der jeweiligen Gesetze und "Gebräuche" arbeiten. Gebräuche? Kinderarbeit? Ein wenig Folter? Was darf es alles sein?

    Dem SPIEGEL teilte Osako noch mit, dass dabei natürlich die firmeneigene "privacy policy" beachtet werde. Doch die ist löchrig: Schon im Jahr 2002 unterzeichnete Yahoo freiwillig eine "Verpflichtung zur Selbstdisziplin für die chinesische Internet-Industrie".

    Bisher bedeutete das, bei der Zensur zu helfen und den rund hundert Millionen Nutzern den Zugang zu bestimmten Internet-Seiten zu verbauen. Google half dabei mit, und Microsofts MSN tilgte aus seinem Portal Suchbegriffe wie "Demokratie" und "Menschenrechte". Das sei, so MSN in vorbildlichem Kulturrelativismus, in China eben "forbidden speech".


    Was Yahoo jetzt mache, so Reporter ohne Grenzen, sei allerdings die Arbeit von "Polizeispitzeln". Die dient offenbar der Pflege der politischen Landschaft: Das US-Unternehmen sicherte sich gerade für eine Milliarde Dollar 40 Prozent der größten chinesischen E-Commerce-Firma Alibaba.com.

    Die Doktrin, wonach eine Öffnung der Märkte eine politische Liberalisierung nach sich ziehe, wird mit Hilfe amerikanischer Firmen derzeit eindrucksvoll widerlegt.

    Der Journalist Ethan Gutmann, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst, kommt in seinen Artikeln immer wieder auf den Netzwerkausrüster Cisco zu sprechen, der seit Mitte der neunziger Jahre in China ist. "Wir glauben ganz fest", so Unternehmenssprecher Ron Piovesan, "dass das Internet Länder überall auf der Welt offener gemacht hat."

    Auf Ciscos Hilfe konnten die chinesischen Bürger dabei nicht zählen: Der Verkaufsschlager seien Ciscos Firewalls und Router, die speziell für den Zensurbedarf der Regierung angepasst wurden, so Gutmann. In einer Studie über das Internet-Filtersystem in China schreibt die "OpenNet Initiative", ein Recherchepool dreier nordamerikanischer Universitäten, die Cisco-Produkte kämen vor allem auch dem Überwachungssystem der Staatssicherheit zugute.

    Rund 20 000 Dollar sollen die Geräte kosten. Schon 2002 hatte Cisco "mehrere tausend" davon verkauft, so Gutmann. Cisco, so Piovesan, verkaufe bloß Netzwerkausrüstung "und nimmt nicht an der Zensur von Regierungen teil". Es klingt ein wenig wie der Waffenhändler, der fragt, was er mit Krieg zu tun habe.

    Im Jahr 2000 kamen besorgten Politikern wegen des Technologietransfers in Sachen Zensur Bedenken: Die U.S.-China Economic and Security Review Commission wurde gegründet. Ob der Handel mit solchen Produkten nicht illegal sein sollte, wurde auf einer Sitzung gefragt. Das sei eine "wunderbare Frage", war die Antwort. Geändert hat sich seither nichts. Vielmehr kommt vergleichbare Technik im Zuge des Patriot Act nun beim Lauschangriff auf die eigene Bevölkerung zum Einsatz - die Polizei etwa darf ohne richterliche Erlaubnis die Internet-Pfade von US-Bürgern verfolgen.

    Wer in einer derart kontrollierten Welt so unkontrolliert Geschäfte machen kann, scheint zu Dank verpflichtet: Microsoft-Gründer Bill Gates, Yahoo-CEO Terry Semel und Cisco-Lenker John Chambers finanzierten die letzte Wahlkampagne von George W. Bush mit je 2000 Dollar, der höchsten von einer Einzelperson erlaubten Spende. NILS KLAWITTER

    Von Nils Klawitter

    Quelle:spiegel.de
    Link:http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,374999,00.html

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

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