Schlips und Sakko sind verboten

  • Quelle - Link: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitu…tes/453188.html

    Japans Beamte dienen jetzt kurzärmlig der Umwelt

    Ab dem 1. Juni könnte es in Tokio bunt und lässig werden, denn es beginnt eine neue Bekleidungs-Ära. Statt im dunklen Anzug mit korrekter Krawatte durch die Hitze zu stapfen, sollen Nippons Beamte und Angestellte in diesem Sommer cool bleiben. Sie müssen bis zum 30. September der Umwelt zuliebe Schlips und Sakko im Schrank lassen und stattdessen im Sommerhemd im Büro erscheinen.

    Es ist eine Kleiderrevolution in einem Land, in dem der Träger eines dunklen Anzugs traditionell als ernsthafter Geschäftsmann und ein Mann "ohne" als arbeitslos betrachtet wird. Deshalb wird das verunsicherte Volk auf diesen kolossalen Wandel umfassend vorbereitet. Herrenausstatter, Medien und die Elite des Landes demonstrieren, wie der Mann auch ohne Krawatte sein Gesicht wahrt. Wer noch überzeugt werden muss, erhält eine Cheflektion. Top-Models der japanischen Industrie werden am Sonntag auf der Weltausstellung in Aichi schon mal vorführen, wie der neue Look auszusehen hat. Namhafte Wirtschaftsführer demonstrieren dabei auf dem Laufsteg, wie seriöse Japaner auch ohne Geschäftsuniform "würdevoll, elegant und intellektuell aussehen können", wie es der Designer Yu Ikeda formuliert.

    28 Grad im Büro

    Chefkabinettssekretär Hiroyuki Hosoda machte es bereits vor und zeigte dabei, wie schwer den meisten Bürosoldaten der Umstieg von der seit Jahrzehnten gewohnten Anzugsordnung zu lässiger Freizeitkleidung fallen wird. Hosoda erschien jüngst probeweise zu einer Pressekonferenz im hellblauen kurzärmligen Hemd und fühlte sich sichtlich unwohl. Als er tags darauf mit Umweltministerin Koike ein buntes Folklore-Shirt aus der Provinz Okinawa und noch weitere Modelle vorführte, trug er drunter ein Anzughemd - mit Krawatte.

    Der amtlich verordnete Sommer-Look ist ein Versuch der japanischen Regierung, dem Ziel des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung von CO2-Emissionen näher zu kommen. Weil die auf Würde bedachten Japaner auch im Hochsommer im dunklen Anzug im Büro sitzen, liefen bisher überall die Klimaanlagen auf Hochtouren und pusteten Schadstoffe in die schwüle Luft. Jetzt werden die Thermostate in den Büros auf 28 Grad eingestellt. Die Initiative wird alle Büros von Ministerien sowie die Industrie von Toyota bis Sony betreffen. Ohne Schlips und Sakko, errechnete das Umweltministerium, sinkt die Körpertemperatur um zwei Grad. Dann kann sich der Mensch auch mit 28 Grad Zimmertemperatur arrangieren.

    Bei allem Verständnis für das Kampagnen-Motto "Nimm die Krawatte ab - rette den Planeten" ist die Zahl der Bedenkenträger freilich groß. Wie Hisataka Asager, Manager eines Tokioter Auto-Zulieferers, denken viele: Ohne dunklen Anzug werde er seinen Kunden gegenüber unhöflich erscheinen, sagt er. Und: "Ein Jackett ist zudem wie eine Rüstung - wenn ich es anhabe, bin ich in Arbeitsstimmung."

    :tlt:Cheers:tlt:

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