Luft-Pingpong, Sitzflieger und Ölsucher

  • Für die einen ist es Spielzeug, für die anderen das interessanteste Werkzeug der Welt: Die Virtual Reality-Forschung ist auf dem Vormarsch. Aus den Entwicklungsabteilungen der Industrie ist "VR" nicht mehr wegzudenken. Bald könnte das, wenn es nach den VR-Experten geht, auch für das heimische Wohnzimmer gelten.


    Wenn der Chemnitzer Programmierer Stephan Rusdorf Tischtennis spielen will, setzt er eine Brille auf, nimmt seinen Schläger und stellt sich vor eine große Leinwand, auf die eine 3D-Tischtennisplatte projiziert wird. Einen Ball braucht er nicht. Stattdessen haben Schläger und Brille jeweils ein kleines "Geweih", an dessen Spitzen weiße Kügelchen stecken.

    Durch die Brille sieht Rusdorf die Tischtennisplatte auf der Wand in Echtzeit und in drei Dimensionen. Infrarotkameras an der Leinwand registrieren anhand der Geweihe auf Schläger und Brille, wie sich Spieler und Schläger bewegen. Das Match kann beginnen - Schnippeln und Schmettern inklusiv.


    Die Chemnitzer Tischtennisplatte war eine der Attraktionen auf der "IEEE-Conference on Virtual Reality", einem Fachkongress in der Bonner Beethovenhalle. Mehr als 500 Teilnehmer haben sich nach Veranstalterangaben über die neuesten Trends in der VR-Forschung ausgetauscht. Die Konferenz wurde zum ersten Mal in Europa ausgetragen, normalerweise treffen sich die VR-Spezialisten in den USA bzw. in Japan.

    VR-Labors seit Jahren in der Autobranche

    Dass Informatiker oft zum Spielen neigen und Computerspiele häufig Triebfeder für die Weiterentwicklung der Computertechnik sind, ist zwar richtig. Bei der virtuellen Realität aber hat eine andere Branche die Entwicklung maßgeblich vorangetrieben: "Die Virtuelle Realität in der Autoentwicklung kommt aus Deutschland", sagt der amerikanische Professor Fred Brooks jr.


    So hat Peter Zimmermann, Leiter der 35 VR-Labore bei Volkswagen als einer der ersten Autoentwickler bereits in den frühen neunziger Jahren begonnen, im VW-Konzern virtuelle Modelle bei der Autoentwicklung einzusetzen: "Einen Käfer hätten wir mit den heutigen Mitteln in kürzester Zeit entwickelt."

    So sei es heute mit Hilfe Virtueller Realität möglich, immer schneller Autos zu entwickeln und dabei immer mehr Varianten auszuprobieren. Vom Design der Handschuhfachöffnung über die Hinterachse bis zur Imitation der Luftströmungen im Motorraum und virtuellen Crashtests - nichts geht mehr ohne VR. Nur die virtuelle Testperson muss noch erfunden werden.

    Und selbst wer nur seinen leeren Tankkanister auffüllt, profitiert indirekt von der VR-Forschung: Der Norweger Jens Grinsgaard und seine Kollegen werten Ultraschallbilder des Meeresbodens in ihren VR-Studios aus und schaffen es dadurch, effektiver und kostengünstiger, dem Erdinneren Öl und Gas zu entziehen. "Wir sparen Zeit bei der Ölsuche", erläutert Grinsgaard. Wenn man bedenkt, dass ein Tag Bohren 200.000 Euro kostet, wird das Sparpotenzial schnell deutlich.

    Manche Ölfelder blieben ohne Virtuelle Simulation auch gänzlich unentdeckt. "Wir haben eine Quelle gefunden, wo sich Öl im Wert von 80 Millionen Euro verbarg", erzählt Grinsgaard stolz. Es lohnt sich also für die modernen Ölsucher der Nordsee. Und das Geld, das Grinsgaards Firma Norsk Hydro in Bergen für die VR-Forschung ausgibt, spielt diese schnell wieder ein.

    Der doppelte Professor Tachi

    Im Vergleich dazu mag eine virtuelle Tischtennisplatte Spielzeug sein. Dennoch ist die Spielindustrie eine der treibenden Kräfte, wenn es um VR geht.


    Da stehen Studenten aus Helsinki auf der Messe, die ihren VR-Luftgitarrencomputer präsentieren. Die abgefilmten Fingerbewegungen werden im Rechner in Gitarrensounds umgewandelt, die gar nicht schlecht klingen. In einer anderen Ecke hat der Brasilianer Luciano Soares seinen Flugdrachen aufgebaut, mit dem man virtuell über Rio de Janeiro fliegen kann - eine Art Vorabreise für zukünftige Brasilien-Touristen. In einer 3D-Brille sieht der User den Teil von Rio, über den er gerade fliegt und im Ohr hat er Sambaklänge. Ein Besucher war so begeistert von dem Gerät, dass er es Soares direkt abkaufen wollte.

    Andere Aussteller präsentieren interaktive Geräte, die 3D-Gegenstände in die reale Welt projizieren. Wieder andere haben Apparate im Gepäck, mit denen sich über lange Entfernungen genaue Bewegungen imitieren und steuern lassen - zum Beispiel in der Medizintechnik mit dem kanadischen "Handshake", mit dem gelähmte Patienten therapiert werden können.

    Doch was soll das große Ziel VR-Forschung sein? Für die japanischen Spezialisten ist es klar: "Irgendwann möchte ich in Japan sitzen und ein Roboter von mir soll hier sitzen", sagt Susumi Tachi, VR-Professor aus Japan, wo VR-Experten eng mit Robotik- und Netzwerk-Forschern zusammenarbeiten.

    Das schwierige daran: Tachi möchte real das in Japan erleben, was er gerade im Bonner Konferenzsaal erlebt. Doch bis es so weit ist, wird Tischtennis-Programmierer Rusdorf noch so manche Partie Tischtennis gegen den Computer gespielt haben. In einer immer exakteren Ping-Pong-Realität: Die Geräusche des Balles werden schon jetzt imitiert. In nächster Zukunft soll dann noch der Schläger zucken, wenn Rusdorf und seine Kollegen den Ball treffen.

    Greets@all

    @JackI:chrz:

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    Lebt in der Liebe,wie auch Christus uns geliebt hat.
      

    [ Epheser. 5,2 ]

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