Die weltweiten Importquoten für Textilien sind gefallen - China greift nach der Marktführerschaft
Neue Schnäppchen für Geizfüchse bringt das Jahr 2005 mit sich: Die Preise für minderwertige Billigtextilien werden nach der Schätzung von Marktexperten um bis zu 30 Prozent sinken. Hintergrund dieser Entwicklung ist der Wegfall der weltweiten Importquoten für Textilien am 01. Januar, die bei der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) vor zehn Jahren für eine Übergangszeit eingeführt worden waren.
Was manchen Einkäufer in Discount-Supermärkten oder beim zum Allround-Anbieter mutierten Kaffeeröster freuen dürfte, hat anderenorts katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen, weil die Karten auf dem globalen Textilmarkt gänzlich neu gemischt werden. Länder des Südens, die wie Bangladesh davon leben, dass Textilkonzerne ihnen Produktionsquoten abkaufen, um im Lande produzieren zu können, stehen vor enormen Problemen. Branchenexperten schätzen, dass bereits jetzt 170.000 Arbeitsplätze in der Textilfertigung vernichtet wurden. Das sei aber noch gar nichts im Vergleich zum Arbeitsplatzabbau, der im Laufe des Jahres 2005 anstehe.
Größter Gewinner werden die Textilproduzenten in den Sonderwirtschaftszonen der Volksrepublik China sein -- in der Regel Joint-Ventures von westlichen Unternehmen mit einer ordentlichen Beteiligung des chinesischen Staates. Nach Berechnungen der deutschen Bundesagentur für Außenwirtschaft wird der Weltmarktanteil Chinas in kurzer Zeit von 18 Prozent im Jahr 2003 auf 50 Prozent wachsen, andere Experten rechnen sogar mit einer Marktdominanz von bis zu 70 Prozent.
Billigkleidung überfordert Mülldeponien
Dass der Wegwerf-Fummel fortan noch stärker als bisher auf den deutschen Markt drängen wird, hat aber auch hierzulande erhebliche Auswirkungen. "Wir erwarten, dass der Siegeszug der nicht wiederverwertbaren Mischfaser-Textilien von minderwertiger Qualität den Mülldeponien der Kommunen ein zusätzliches Volumen von 700.000 Tonnen bescheren kann", sagte Francisco Mari von Fairwertung, einem Zusammenschluss von 150 Organisationen, die sich um das Einsammeln von gebrauchter Kleidung in Deutschland und deren Verteilung in Ländern des Südens kümmert. Das ziehe ökonomische und ökologische Probleme in Deutschland nach sich.
Die Mitarbeiter von Fairwertung beobachteten in der jüngsten Vergangenheit bereits einen konstanten Qualitätsverfall bei der hierzulande gesammelten gebrauchten Kleidung. Zurzeit seien immerhin noch 60 Prozent brauchbar - bald werden es aber nur noch 30 Prozent sein, befürchtet Mari. "Der Trend zu Billigkleidung in Deutschland drückt sich auch darin aus, dass der Anteil von Bekleidungskosten an den Ausgaben von Privataushalten von 18 Prozent auf 10 Prozent zurückgegangen ist".
Mörderischer Preisdruck
Besonders schlecht sind die Neuigkeiten indes für die Textilarbeiterinnen und -arbeiter in Ländern wie Sri Lanka, Thailand, Indonesien, Bangladesh und auch in zahlreichen ärmeren Staaten Lateinamerikas. Weil sie im Preiskrieg mit China nur durch niedrige Arbeitskosten punkten können, wird dieser auf dem Rücken der Näherinnen und Arbeiter ausgetragen; Entweder verlieren sie ihren Job oder müssen zu schlechteren Bedingungen weiterschuften. Die Arbeitslöhne sind in der Volkrepublik zwar etwas höher, auch wenn die Zerschlagung der Kombinate ein riesiges Arbeitslosenheer speist. Da die Industrialisierung des Riesenreiches aber erst jüngst einsetzte, sind die Maschinen auf modernem Stand und vor allem sind alle relevanten Rohstoffe in China massenhaft vorhanden und können günstig transportiert werden.
Für eine Näherin in Bangladesh, die schon jetzt kaum genügend zum Überleben verdient, könnte der Konkurrenzkampf um die Arbeitsplatzkosten mörderisch sein. Betroffen sein werden aber auch ein großer Teil der heute noch 2,6 Millionen Textilarbeiter in den 25 EU-Staaten, darunter besonders stark die Beschäftigten im traditionellen Textil-Exportland Portugal. Aber auch unter Beschäftigten der Bekleidungsindustrie in der USA geht die Angst vor Jobverlust um.
Spät erwachtes Problembewusstsein
Der Handelskonzern KarstadtQuelle zum Beispiel hat beschlossen, seine Direktimporte aus der Volksrepublik auf 43 Prozent zu erhöhen. Das Problembewusstsein vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich seit langem mit den Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter in den ärmsten Ländern beschäftigen, erwachte spät. Jetzt, nachdem die Quoten weggefallen sind, ist ihr Verhandlungsspielraum freilich eng.
"Als Ad-Hoc-Forderung bleibt uns, auf die Konzerne dahingehend einzuwirken, dass sie die soziale Verantwortung ihren Beschäftigten gegenüber wahr nehmen, wenn sie die Fabriken auflösen und nicht nach Wild-West-Manier einfach ihre Zelte abbrechen", sagte Mari, der auch als Berater für den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) tätig ist. Vertreter der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) sehen nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" auf Bangladesh gar soziale Unruhen zukommen.
Die Veränderungen auf dem Weltmarkt für Bekleidungstextilien trifft diejenigen Näherinnnen und Textilarbeiter besonders stark, die für das Billigsegment produzieren. Weiterhin in Kraft bleiben jene "Codes of Conduct", die NGOs und Gewerkschaften mit Markenwarenherstellern wie Adidas, Nike und Puma im Rahmen von Kampagnen für "saubere Kleidung" geschlossen haben. Diese Kampagnen für die Einhaltung sozialer Standards bei der Kleidungsproduktion haben im vergangenen Jahrzehnt auch an anderer Stelle Erfolge erzielt. So war bis zur Umbildung des KarstadtQuelle-Vorstands ein Mitglied mit der Problematik befasst. Im Katalog des Hamburger Otto-Versandes findet sich mittlerweile auch der Hinweis auf soziale Standards und ökologische Aspekte. Und auch das süddeutsche Modehaus Stallmann zeige sich zunehmend offen für die Berücksichtigung sozialer Standards, versichern Clean-Cloth-Aktivisten.
"Der Druck der Verbraucher muss stärker werden", meint Francisco Mari. Denn am Ende sind sie es, die am Ladentisch entscheiden, welche Ware sie kaufen. Erste Gehversuche macht auch die Internationale Textilarbeitergewerkschaft in China: Zumindest ein erster Dialogfaden mit den chinesischen Gewerkschaften, die eng mit der regierenden Kommunistischen Partei verbandelt sind, ist geknüpft worden. Allerdings hat auch der staatstreue Gewerkschaftsverband in den chinesischen Freihandelszonen kaum etwas zu sagen.
Die Quoten für den Welttextilmarkt hatten vor zehn Jahren das Multifaser-Abkommen von 1974 abgelöst. Jeder Staat hatte feste Ausfuhrquoten zugesprochen bekommen, was zu einer weltweiten Verlagerung von Produktionskapazitäten führte. Laut den aktuellen WTO-Bestimmungen ist es noch bis zum Jahr 2008 gestattet, heimische Märkte durch Importbeschränkungen gegen eine Überflutung mit Billigimporten zu schützen. Die USA haben bereits angedeutet, China mit Importbeschränkungen belegen zu wollen.
Greets
@Jacki:pfct: