Die Szene und das Gesetz
Polizei, Gesetz und Gravenreuth
In der amerikanischen Szene hört man immer öfter von Fällen, bei denen selbst höhere Instanzen, wie das FBI,
durch zeitaufwendige Ermittlungsarbeit illegale Szenemailboxen aufdecken. In Europa ist dies ähnlich. Es gibt
Sonderkommissionen, die sich speziell mit der Softwarepiraterie beschäftigen. Das Thema wird im allgemeinen
auch in Europa inzwischen sehr ernst genommen, denn der Schaden, der in den letzten Jahren durch Raubkopierer
entstanden ist, geht laut Firmenangaben in die Millionen.
Deshalb haben sich viele größere Softwarefirmen dazu entschlossen, die Softwarekriminalität aktiv zu bekämpfen
und holten sich die Unterstützung rechtschaffender Anwälte. Einer der bekanntesten auf dem Gebiet der
Softwarekriminalität ist der Münchener Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth, der schon seit den Anfängen
der Szene auf der Jagd nach Raubkopierern ist.
Wenn es um die Verfolgung von Raubkopierern geht, ist er der kompetenteste Mann. Das liegt wohl auch daran,
daß ihm jedes Mittel Recht zu sein scheint. In den 8oer Jahren versuchte von Gravenreuth unter dem Decknamen
'Tanja', Raubkopierer durch Tauschangebote in Kleinanzeigenteilen verschiedener Zeitschriften anzulocken.
So mancher fiel auf diesen Trick herein und wurde wegen Verbreitung urheberrechtlich geschützter Software
angeklagt. Es ist verständlich, daß der Münchener Anwalt der illegalen Szene nicht gerade sympathisch ist. Besonders
durch seine umstrittenen Lockvogel-Aktionen hat er sich auch in anderen Kreisen wenig Freunde gemacht.
Anfang 1996 konnte von Gravenreuth die holländische Firma 'Tricon Engineering B.V' als Mandanten gewinnen
und erreichte durch richterlichen Beschluß, daß dieser Name verwechslungsfähig mit 'Triton' (Standard Motherboard
Chipsatz) sei. Kaum hatten PC-Händler von diesem Beschluß gehört, begann eine Welle von Abmahnungen.
Fast alle Händler warben, natürlich völlig unwissend, in Prospekten und Schaufenstern mit dem Namen
'Triton' weiter. Jeder, der heute noch mit dem Namen 'Triton' wirbt, muß seitdem mit einer Abmahnung von ca.
1300 Mark rechnen. Mit dieser Aktion sorgte der Anwalt für Furore, und seither ist sein Name auch außerhalb der
Szene für viele ein Begriff.
Überall in der Szene hat von Gravenreuth seine Spitzel. Diese Leute sind häufig ehemalige Szenemitglieder, die
sich in der Szene auskennen und entsprechende Beziehungen haben. Dadurch kommt er an Telefonnummern
und Paßwörter von Mailboxen und Boards heran, die illegal Software vertreiben und kann dann bei der Staatsanwaltschaft
einen Durchsuchungsbefehl erwirken. Ehemalige Szenemitglieder, die mit ihm kollaborieren, sind in
der Szene noch verhaßter als er selbst. Sie gelten als Verräter, und wenn jemand als solcher entlarvt wird, hat er
nie wieder die Möglichkeit, der Szene beizutreten.
Jedem Mitglied der Szene ist das Pseudonym 'Kimble' bekannt (» 3. Eintrag). Die Verhaftung von Kim Schmitz
war das Resultat einer aufwendigen Kooperation des Bayerischen Landeskriminalamtes, der Telekom und der
Münchener Kriminalpolizei. Ihm wurde Telefonbetrug vorgeworfen und ein Schaden von mindestens 20 Millionen
Mark zur Last gelegt. Der Münchener Anwalt von Gravenreuth, der großes Interesse an Kimble hatte, stand diesem
in vielen Angelegenheiten zur Seite. Nicht ohne Grund, wie sich herausstellen sollte, denn Kim Schmitz erwies
sich als besonders kooperativ, und durch seine Tips kamen weitere Szenemitglieder in hohen Positionen in
unangenehmen Kontakt mit der Polizei. Die Szene war empört, und man ging sogar so weit, ein Kopfgeld auf
Kimble auszusetzen. Glücklicherweise nahm das keiner allzu ernst.
Der Fall Kim Schmitz war ein besonders schwerer Schlag für die illegale Szene. Manch einer behauptet, daß
man die Nachwirkungen der damaligen Aufdeckungswelle noch heute in der Szene spüren kann. trotzdem sind
Leute wie Kim Schmitz in der Szene keine Seltenheit. Immer wieder tauchen Gerüchte über Leute auf, die angeblich
mit der Polizei kollaborieren.
Die Szene ist entsprechend vorsichtiger geworden. Sollte jemand in Verdacht stehen, mit von Gravenreuth oder
der Polizei gemeinsame Sache zu machen, wird er überprüft und überwacht. Wenn sich der Verdacht erhärtet
oder sogar bestätigt, sind die Folgen für den Überläufer verheerend. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden ist
die gesamte illegale Szene durch Infofiles über den Buster informiert. Ein Szenemitglied müßte sich schon im
Keller einsperren, um diese Information zu verpassen. jemand in einer führenden Position könnte es durchaus
schaffen, die komplette Szene in nur wenigen Tagen zu enthaupten. Auf Tausende von Mitgliedern würden dann
enorme Geldbußen oder sogar Gefängnisstrafen zukommen.
Es ist daher verständlich, daß die Szene Augen und Ohren offenhält, damit so etwas niemals geschieht. Die Methoden,
einem Buster den Kopf zurechtzurücken, sind nicht selten rüde, und aus diesem Grund bemüht sich von
Gravenreuth, seine Informanten verdeckt zu halten. Außerdem ist ein Buster, der in der Szene schon als solcher
entlarvt wurde, völlig unbrauchbar.